Komintern-Agentin Olga Benario: Briefwechsel aus Gefängnis und KZ

m Blick auf die Lebensgeschichte der beiden Briefpartner und die Umstände ihrer Gefängnis- und KZ-Aufenthalte ist der hier folgende Gefängnisbriefwechsel nahezu vergleichslos. Die Münchner Jüdin und Komintern-Agentin Olga Benario wurde Ende 1936, nachdem sie in Brasilien an einem misslungenen Aufstand gegen die Diktatur von Gétulio Vargas beteiligt gewesen war, hochschwanger an Nazideutschland ausgeliefert. In Gestapo-Haft, im Frauengefängnis in der Barnimstraße in Berlin, gebar sie eine Tochter, Anita. Kurz nach Ende des ersten Lebensjahres wurde sie ihr weggenommen. Olga Benario gehörte zu den ersten weiblichen Häftlingen im KZ Lichtenburg, dann in Ravensbrück. 1942 wurde sie in Bernburg vergast. Ihr Lebenspartner und der Vater ihres Kindes, der Brasilianer Luiz Carlos Prestes, hatte Mitte der 1920er Jahre als junger Kommandeur einer rebellierenden Militäreinheit während zwei Jahren das brasilianische Hinterland durchquert. Ein Gewaltmarsch von 25.000 km, der ihn in der verarmten Bevölkerung als Cavaleiro da Esperança (Ritter der Hoffnung) zu einer mythischen Figur machte. Als Anführer des Aufstands von 1935 zusammen mit Olga Benario verhaftet, verbrachte er neun Jahre in Rio de Janeiro in Einzelhaft. Sein Schicksal und das von Olga Benario wurden in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre zu einer internationalen Cause célèbre. Ihr Briefwechsel konnte unter den kaum vorstellbaren Schwierigkeiten der Haft, der Distanz, der Sprache und der Zensur selbst noch während Olga Benarios Inhaftierung im Konzentrationslager Ravensbrück aufrechterhalten werden.

Die Unbeugsamen
Briefwechsel aus Gefängnis und KZ
Niki Graça
Wallstein Verlag

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Eine vierunddreißigjährige Frau, die mitten im Zweiten Weltkrieg von den Nazis getötet wird – eine unter Millionen von jungen Frauen. Warum gerade sie? Warum starb gerade sie? Warum soll gerade an sie erinnert werden? War sie wichtiger als andere Frauen, die ihr Schicksal teilten? Mutiger? War ihr Leben und Sterben exemplarischer? In den Konzentrationslagern wurde das Individuum ausgelöscht, selbst das Recht auf den eigenen Tod wurde ihm genommen. »Daß in den Lagern nicht mehr das Individuum starb, sondern das Exemplar«, darin bestand für Adorno das nicht zu überwindende Skandalon.1 Indem wir uns heute an sie erinnern, geben wir den Opfern ihr unverwechselbar Individuelles zurück. Aber auch ihr Exemplarisches: ihren anonymen Tod, der sie mit allen anderen Opfern verbindet. In dieser Dialektik von individuellem und massenhaftem Schicksal stehen Leben und Sterben von Olga Benario.
Zunächst also ihr individuelles, unverwechselbares Leben: Münchnerin, Jüdin, Kommunistin, Geliebte, Militärpilotin, Kom internagentin, KZ-Insassin, Mutter, Vergasungsopfer. Fehlt etwas? Stimmt die Reihenfolge? Was wissen wir damit über sie?
So erzählen wir ihr Leben: immer schön der Reihe nach. Elternhaus, Jugend, politische Aktivitäten, nach einer spektakulären Gefangenenbefreiung Flucht in die Sowjetunion, Reise nach Brasilien usw. Chronologie als Sinngebung? Wir werden uns hüten.


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Erhard Coch ist Autor verschiedener Bücher und Essays.