Berichte aus der siebenbürgischen Evangelischen Kirche aus der Zeit des Kommunismus

Gewiss wird dem Herausgeber zuzustimmen sein, dass die Drucklegung dieses Bandes bloß ein erster Schritt ist auf dem Weg der Erhellung dieser dunkeln Vergangenheit, dem noch weitere Schritte folgen sollten. Doch die hier offen­gelegten Erlebnisse werden bei einer Gegenüberstellung mit der Aktenlage bzw. einer persönlichen »Akte« im Archiv der CNSAS der Gefahr wehren können, vereinfachende und undifferenzierte Schlussfolgerungen zu ziehen und Vorverurteilungen Einzelner geschweige denn der Kirche als solche zu fällen. Und dies auch angesichts der Tatsache, dass sich immer mehr herausstellt und bereits von Sachkundigen auf diesem Gebiet geäußert wurde, dass es in den »Akten« auch Berichte von Beamten der Sicherheitsbehörde gibt, die entstellte Äußerungen enthalten, die dessen Tüchtigkeit im Dienste des Auftraggebers untermauern sollten und darum irreführend sind.

Aus dem Schweigen der Vergangenheit
Erfahrungen und Berichte aus der siebenbürgischen Evangelischen Kirche in der Zeit des Kommunismus
Hermann Schuler
Verlag: SCHILLER-Verlag

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Die bisherigen Erfahrungen gelegentlich von Einsichten in die »persönliche Akte« bei der zuständigen Behörde CNSAS (»Consiliul Na?ional pentru Studierea Arhivelor Securit??ii«), des »Nationalen Rates für das Studium der Archive der Securitate«, zeigen, dass im Umgang mit diesem Vorgang – worauf Joachim Gauck in seinen erwähnten »Erinnerungen« hingewiesen hat – gewisse Fragen vorher genau festgelegt werden müssten. Vor allem, wer mit dem Verdikt eines IM, eines »inoffiziellen Mitarbeiters« – nach rumänischer Bezeichnung eines »Kollaborateurs der politischen Polizei« –, behaftet werden darf und wer nicht. Welche »Kriterien« hierfür sollten gelten? Sind IMs solche, die eine »Verpflichtungs­erklärung« zur Mitarbeit unterzeichnet haben oder nur diejenigen, die auch tatsächlich Berichte geschrieben und regelmäßig geliefert haben? Oder sollten es nur solche sein, die über andere belastende Berichte vorgelegt haben? Und ist es nicht auch denkbar, dass jemand, der weder eine Erklärung unterzeichnet noch jemals einen Bericht geschrieben hat, der sich also standhaft geweigert hat, mit dieser Behörde zusammenzuarbeiten, dennoch in der Evidenz eines Sicherheitsbeamten erscheint, weil er verhört oder besucht wurde, nachdem er über ein Vorkommnis, z. B. einen Besuch aus dem Ausland – trotz gesetzlicher Verpflichtung – nicht berichtet hat?

Die hier vorgelegten und sonstige bekannt gewordene Erlebnisberichte können dazu beitragen, solche Fragen zu klären. Davon wird auch abhängen, wie man mit der Frage der Schuld umgeht. »Politische Schuld« im Sinne von Gauck, dass wir geschwiegen und Zustände geduldet haben, trifft uns gewiss alle – in beiden Diktaturen –, ähnlich wie Staatsbürger anderer Länder. Die »moralische Schuld« muss mit dem eigenen Gewissen und dem Nächsten, an dem man sich verschuldet hat, geklärt werden. »Theologisch«, das heißt im biblischen Sinn, haben wir uns durch zu geringen Mut und Bekenntnistreue vor Gott schuldig gemacht und müssen IHM dies bekennen. »Juristische Schuld« aufgrund konkreter, bewiesener Verfehlungen und Verstrickungen soll dagegen öffentlich genannt und um Vergebung gebeten werden. Diese unterschiedliche Weisen, schuldig geworden zu sein, müssen bei der Beurteilung eines Einzelnen im Hinblick auf ein offizielles »Verdikt« bedacht werden.

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