CORPORATE IDENTITY PITCHES EIN RISIKOGESCHÄFTSFELD FÜR WERBEAGENTUREN ?

Pitches.

Sie bringen ein oft schwer kalkulierbares Risiko für den Betrieb einer Werbeagentur mit sich. Wie viel darf investiert werden, ohne das Unternehmen einer vielleicht existenziellen Gefährdung auszusetzen? Gerade Start-Ups scheuen sich, mehrere Wochen unbezahlte Vorarbeit zu leisten und mit hohen Beträgen in Vorlage zu gehen.

Bereits die Feuilleton-Presse hat dieses Thema schon zum Gegenstand gemacht. Es wird von einem Sittenverfall gesprochen – es sei Gang und Gäbe, für die Arbeit im Rahmen eines Pitches nicht bezahlt zu werden. Ein solcher Zustand der Intransparenz im Vorfeld eines Vertrages kann bereits einen Verstoß gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme aus § 241 II BGB bedeuten. Die Kosten holt der Gewinner nur wieder rein, wenn er den Werbeetat für einen gewissen Zeitraum gewinnt.

Das ist zwar hart, entspricht aber dem geltenden Recht. Denn jede Partei hat grundsätzlich das Risiko der Nichtberücksichtigung zu tragen. Dieser äußerst hart geführte Wettbewerb hat jedoch wesentlich dunklere Seiten. Regelmäßig kommt es vor, dass Unternehmen zu Pitches aufrufen, aber niemanden zum Sieger der Ausschreibung benennen. Die gewonnenen Entwürfe werden dann trotzdem verwendet.

Sind Agenturen und Designer schutzlos?

Die Betroffenen haben eine Vielzahl an Möglichkeiten, nicht ganz schutzlos in den Wettbewerb zu gehen. Verschiedene Gesetze geben den Agenturen Rechtsgrundlagen an die Hand, mit denen sie sich gegen diese Art der Verwendung ihrer Arbeitsleitungen zur Wehr setzen können.

Urheberrecht?

Werbeagenturen sind kreativ. Daher liegt der Schluss nahe, dass der Schutz ihrer Leistungen und der Pitches über das Urheberrecht erfolgt. Das ist nur eingeschränkt der Fall. Prägend für z. B. Corporate Identity-Kampagnen sind oft kurze Sprüche, Slogans, Claims. Man denke nur an „Just Do It“.

Urheberrechtlich betrachtet, sind dies beispielsweise aber nur drei Worte, die keine besondere künstlerische Leistung darstellen. In juristischer Hinsicht fehlt es an der sogenannten Schöpfungshöhe. Es ist eher die Ausnahme, dass eine Corporate Identity-Leistung über einen derart künstlerischen Aspekt verfügt, so dass das Urheberrecht zur Anwendung kommt.

Gewerbliche Schutzrechte?

Eine weitere Möglichkeit der rechtlichen Absicherung gegen ungenehmigte Verwendung der Entwürfe besteht darin, diese als gewerbliches Schutzrecht eintragen zu lassen, z. B. einen besonders guten Claim als Marke, eine Grafik als ein sogenanntes Geschmacksmuster anzumelden. Aber diese Lösung erscheint wenig praktikabel, denn die Zeitdauer, bis ein gewerbliches Schutzrecht eingetragen ist, überdauert die eines Pitches bei weitem.

Im Übrigen ist die Eintragung dieser Rechte mit Amtsgebühren verbunden, die die ohnehin schon hohen Kosten eines Pitches weiter steigen lassen. Demnach sind Marken und Geschmacksmuster nicht die erste Wahl für Agenturen. Gleichwohl kann sich ein solches Vorgehen anbieten, wenn man als Agentur Marken für zukünftige Produkte entwickelt.

Wettbewerbsrecht!

Wurde die Vorlage der Agentur trotz verlorener Ausschreibung ungenehmigt verwendet, so kann sich die Agentur auf Grundlage des Wettbewerbsrechts (UWG) gegen dieses Vorgehen zur Wehr setzen. Das UWG legt fest, dass die im geschäftlichen Verkehr anvertrauten Vorlagen (etc.) nicht zu Zwecken des Wettbewerbs oder aus Eigennutz unbefugt verwertet oder an jemanden mitgeteilt werden dürfen. In § 18 UWG wird ein solches Verhalten sogar unter Strafe gestellt. Rechtlich maßgebend ist also, dass das den Etat ausschreibende Unternehmen Unterlagen unbefugt verwertet, die ihm anvertraut worden sind.

Ein besonderes Augenmerk gilt also dem „Anvertrauen“ der Unterlagen. Dieses "Anvertrauen" kann zum einen explizit in einem Vertrag geregelt werden. Doch zumeist sind die Agenturen nicht in der Position, einen solchen Vertrag zu bewirken. Zu groß ist die Angst, durch zu strenge Forderungen einen Nachteil in der Ausschreibung zu haben oder sich – noch schlimmer – das Image von Steifheit und Misstrauen aufzuladen.

In der Praxis ist also die Frage zu stellen, ab wann auch ohne eine besondere Vereinbarung davon auszugehen ist, dass die Unterlagen dem ausschreibenden Unternehmen anvertraut worden sind. Die Frage, ob einem Unternehmen Entwürfe anvertraut worden sind, ist in der Praxis also an den Umständen des Einzelfalles zu bestimmen.

Als anvertraut dürften alle Unterlagen gelten, die im Rahmen des Pitches entwickelt und an das ausschreibende Unternehmen ausgehändigt wurden. An diesen Unterlagen erwirbt das ausschreibende Unternehmen nicht automatisch ein Recht zur Nutzung. Die Präsentation wurde schließlich vorher mit hohem finanziellen Aufwand erstellt und zielt lediglich darauf ab, den Zuschlag zu erhalten. Dabei kommen Grundgedanken aus dem Urheberrecht zu Anwendung. Nutzungen sind immer nur erlaubt, wenn sie ausdrücklich eingeräumt wurden.

Im Zweifel also für den Rechteinhaber: Die Agentur.
In der Regel ist es daher möglich, gegen diese „Vorlagenfreibeuterei“ rechtliche Schritte einzuleiten. Zum einen kann ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden. Dieser kann besonders schnell – im Wege der einstweiligen Verfügung – die Interessen der Agentur durchsetzen.

Das Konzept der Agentur darf dann unter Androhung eines bis zu sechsstelligen Ordnungsgeldes nicht mehr verwendet werden. Daneben ist auch die Forderung von Schadensersatz möglich. Dessen Höhe wird mit dem Grundsatz der Lizenzanalogie festgelegt. Als Schadensersatz ist daher die Summe zu zahlen, die für die Nutzung eines Werbekonzeptes üblich gewesen wäre. Diese Summe kann auf Grundlage des Verletzerzuschlages sogar verdoppelt werden. Ein Rechtsverletzer darf von Gesetz wegen nicht besser gestellt werden, als jemand der Rechte ordnungsgemäß erwirbt. Streitigkeiten um Pitches wurden bereits mit Erfolg für Agenturen vor Gericht ausgefochten. So urteilte das Kammergericht Berlin, dass die unbefugte Übernahme und Verwendung eines Slogans aus den Arbeiten einer Agentur die Pflicht zum
Schadensersatz begründet.

Fazit

Pitches sind nach wie vor ein Risikogeschäft – den Kampf um den Etat eines Unternehmens kann man rechtlich nicht verhindern. Das Gesetz kann aber eine wertvolle Hilfe im Zuge solcher Ausschreibungen sein, um sich vor Ausbeutung zu schützen – einem Umstand der schon im Vorfeld bedacht sein will.


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