Harmoniesucht, Vorbild, Teamevents – die versteckten Führungsfallen bei der Projektarbeit

„Berechenbare“ Projektmanager dürfen durchaus Ecken und Kanten haben

Der Manager eines Entwicklungsprojekts wollte alle Register der Führungskunst ziehen: Er legte seinem Team die Planungen offen und ließ es die Arbeitsabläufe mitgestalten. Aufkommende Konflikte machte er auf dem nächsten Team?Meeting zum Thema, bevor die Streitigkeiten den Mannschaftsgeist gefährden konnten. Im Übrigen war er – ganz „vorbildlicher Manager“ – morgens als erster im Büro, abends machte er als letzter das Licht aus. Doch der Kraftakt in puncto Teamführung half nichts. Seine Mitarbeiter kamen nicht in Schwung. Die aus vielen Fachabteilungen zusammengewürfelte Gruppe schob „Dienst nach Vorschrift“; bald hinkte sie mit ihren Aufgaben dem Zeitplan hinterher. Gute Teamführung entscheidet über den Projekterfolg. Doch die allermeisten Projektmanager sitzen in puncto „Leadership“ zwischen den Stühlen. Sie leiten ein Team – aber sie sind nicht im klassischen Sinne „Chef“ ihrer Mitarbeiter. Die Schwierigkeit: Die Mitglieder von Projektteams sind in der Regel nur „geliehen“. Fachabteilungen entsenden beispielsweise Konstrukteure, Prototypenbauer, IT?Spezialisten und Marketingleute in ein Projekt. Die Vorgesetzten dieser Spezialisten bleiben derweil in den Heimat?Abteilungen. Rein formal ? „disziplinarisch“ ? hat kaum ein Projektmanager die Macht, Aufgaben anzuordnen oder saumseligen Mitarbeitern auf die Finger zu klopfen.
Mit modernen Führungsmethoden wollen Projektmanager die „Machtlücke“ schließen und ihre Mitarbeiter für das gemeinsame Vorhaben gewinnen. Sie hätscheln den guten Teamgeist, geben Mitarbeitern viel Freiheit bei ihrer Arbeit, stacheln den Ehrgeiz ihrer Mannschaft an, übertragen dem Team großzügig Verantwortung und setzen alles dran, dass die Projektarbeit Spaß macht. Jedoch haben viele auf Führungsseminaren empfohlene Methoden im Alltag Fallstricke ? so sinnvoll sie anfangs klingen. Eine dieser Fallen: Manche Projektmanager arbeiten hart daran, das Herz ihrer Mitarbeiter mit reizvollen Aufgaben, entspanntem Teamklima und selbstbestimmtem Arbeiten zu gewinnen. Darüber versäumen sie allerdings eine Aufgabe. Projektmanager müssen anfangs mit jedem Mitarbeiter zwei Kernfragen für die Teamführung klären. Erstens, erkennt jedes Teammitglied für sich einen Sinn in seiner Mitarbeit an dem Projekt? Bringt die Arbeit das Mitglied auch persönlich voran? Zweitens, ist das Mitglied überzeugt davon, dass das Projekt unter der Führung des Projektmanagers ans Ziel kommen kann? „Der Reiz der vermeintlich ‚lockeren’ Projektarbeit ist schnell verflogen“, erklärt Wilhelm Mikulaschek, Geschäftsführer des auf Projekt? und Prozessmanagement spezialisierten Weiterbildungsanbieters Resultance (Röthenbach bei Nürnberg), „danach drängt sich für Mitarbeiter die Frage nach Sinn und Erfolgschancen des Projekts auf. Sie wollen sichergehen, dass sie sich für das richtige Projekt engagieren.“ Erst eine befriedigende Antwort auf diese beiden Kernfragen lege das Fundament für die Teamführung. Über diese Schwierigkeit hinaus beschreiben Fachleute weitere Führungsfallen:
Führungsfalle „Spielregeln“ ? Jede Gruppe braucht „Spielregeln“ für den Alltag, dieser Grundsatz findet sich in fast jedem Handbuch zur Teamführung. Die Regeln legen fest: Wie geht das Team beispielsweise mit Konflikten um? Wie informieren sich die Mitglieder einander etwa über den Arbeitsfortschritt? Wie diskutieren sie Probleme auf Besprechungen? Projektmanager gehen das Thema „Spielregeln“ in der Regel offensiv an. Direkt zum Projektstart lassen sie das Team „seine“ Regeln aufstellen und beschließen. Der Stolperstein bei diesem verbreiteten Führungsinstrument:
Die Regeln schnüren dem Team bald die Luft zum Atmen ab. Ist die Mannschaft nach einiger Zeit zusammengewachsen, spielt sich der Umgang miteinander von allein ein. Dann können die Regeln etwa für die Suche nach Problemlösungen starr und hemmend wirken. „Die bei Projektmanagern so beliebten Spielregeln dürfen nicht zu dogmatisch ausgelegt werden und nur so lange gelten, bis sich im Team Vertrauen aufgebaut hat und vieles flexibel gelöst wird“, erklärt Wilhelm Mikulaschek.
Führungsfalle „Motivation durch Belohnung“ – Belohnung beflügelt den Eifer. Zwar können nur wenige Projektmanager ihren Mitarbeitern Prämien für gute Arbeit zahlen. Doch es gibt viele Alternativen, sich gegenüber verdienten Mitstreitern erkenntlich zu zeigen – etwa Arbeitsaufenthalte an internationalen Projektstandorten oder auch technische „Spielzeuge“ wie Smartphones. So weit, so gut. Zur Falle werden solche Belohnungen, wenn sie die Wertschätzung ersetzen sollen. „Besonders in Projekten wollen Mitarbeiter sich und ihre Tätigkeit wertgeschätzt wissen“, sagt Wilhelm Mikulaschek, „erfahrene Projektmanager sehen deshalb ihre Hauptaufgabe darin, ihrem Team zur Seite zu stehen, auch kleine erfolgreiche Schritte zu würdigen und verlässliches Feedback zu geben.“ Empathie und Anteilnahme wirke nachhaltiger als oberflächliche Belohnung.
Führungsfalle „Harmoniesucht“ – Streitigkeiten sollten sofort in der Mannschaft angesprochen und geschlichtet werden. Anderenfalls verhärtet sich der Zwist zum lähmenden Konflikt. Auch mit dieser Führungsregel sollten es Projektmanager nicht zu weit treiben. Wer auch geringfügige Meinungsverschiedenheiten auf die Agenda der wöchentlichen Projektbesprechung bringt, verzettelt sich schnell und gilt bei den Mitarbeitern als Mimose oder Nörgler. Stattdessen lassen erfahrene Projektmanager Konflikte zunächst eine Weile „laufen“; sie geben den Beteiligten eine Chance, die Streitigkeiten untereinander beizulegen. Gelingt dies nicht, führen Projektmanager Einzelgespräche mit den Kontrahenten und klären den Konflikt „im Stillen“. Erst wenn dies erfolglos bleibt, kommt der Fall vor das gesamte Team.
Führungsfalle „Eigenständiges Arbeiten“ – Viele Mitarbeiter freuen sich auf Projektarbeit: Anders als in Fachabteilungen können sie selbstständig entscheiden, wie sie ihre Aufgaben bearbeiten und Probleme lösen. Projektmanager nutzen dies und übertragen ihrem Team so viel Eigenverantwortung und Selbständigkeit wie möglich. Was sie dabei vergessen: Diese Arbeitsweise ist für manche Teammitglieder ungewohnt, verunsichert sie und setzt sie unter Erfolgsdruck. Diese Mitarbeiter brauchen dafür neben praktischer Hilfe auch emotionale Unterstützung, um sich in das „Teamwork“ einzufinden. Projektprofis halten deshalb enge Verbindung zu jedem einzelnen Mitarbeiter. Sie hören intensiv zu und nehmen auch Sorgen oder Unsicherheiten ernst.
Führungsfalle „Teamevents für den Zusammenhalt“ ? Projektmanager haben aus ihren Mitarbeitern binnen kurzer Zeit ein reibungslos zusammenarbeitendes Team zu formen. Mit klassischen Teamevents – beispielsweise Trainings in Hochseilgärten oder Klettertouren im Gebirge – versuchen sie diesen Prozess zu unterstützen. Bei gemeinsam bestandenen „Abenteuern“ sollen sich die Mitarbeiter kennenlernen, Vertrauen zueinander aufbauen und „Teamspirit“ entwickeln. Doch mit solchen Events erreichen Manager manchmal genau das Gegenteil. „Nicht alle Mitarbeiter eignen sich aufgrund ihrer Persönlichkeit für solche Trainings“, erklärt Wilhelm Mikulaschek. Entweder werden diese Mitarbeiter von dem Event überfordert – und blicken dann auch dem Projekt skeptisch entgegen. Oder sie bleiben daheim und fühlen sich von der Mannschaft ausgeschlossen. „Man muss genau wissen, in welcher Situation und für wen man dieses Führungsinstrument anwendet“, sagt Mikulaschek.
Führungsfalle „Der Projektmanager als Vorbild“ – Viele Projektmanager wollen ihrem Team ein Vorbild sein – und überfordern sich dabei maßlos. Über mehrere Monate oder gar Jahre morgens als erster und abends als letzter im Büro zu sein kostet viel Kraft. Übrigens unnötige Kraft, wie Fachleute meinen. Wichtiger als vorbildliches Verhalten sind Führungstugenden wie Ehrlichkeit, Berechenbarkeit und Geradlinigkeit. „Berechenbaren Projektmanagern werden auch Ecken und Kanten verziehen, die vielleicht nicht vorbildlich sind“, weiß Wilhelm Mikulaschek.

Über Resultance GmbH
Das Weiterbildungsunternehmen Resultance GmbH (Röthenbach bei Nürnberg) ist spezialisiert auf praxisnahe Qualifizierungsangebote in Projektmanagement und Prozessmanagement, die optimal auf die Bedürfnisse von Unternehmen zugeschnitten sind. Die Lehrgänge und Kurse schließen mit in der internationalen Wirtschaft anerkannten Zertifizierungen ab (IPMA, PRINCE2, NOVACESS). Darüber hinaus führt Resultance in Kooperation mit der Hochschule Mittweida den berufsbegleitenden Masterstudiengang „Projekt- und Prozessmanagement (M.Sc.)“ durch. Das 2004 gegründete Weiterbildungsunternehmen unterrichtet bundesweit jährlich rund 1.200 Teilnehmer. Die für Resultance tätigen Trainer, Berater und Dozenten – vielfach langjährige Führungskräfte aus der Wirtschaft - leiten zudem internationale Lehrgänge (u.a. England, USA, Finnland, China, Brasilien). Das Portfolio reicht von offenen Seminaren für Einzelteilnehmer bis hin zur Komplettbetreuung bei Qualifizierungsprogrammen in Mittelstand und Konzernwirtschaft.