Ausstellung im Kunstverein Hannover: Los Carpinteros »Silence Your Eyes« (1.12.2012–3.2.2013)

Die kubanische Künstlergruppe Los Carpinteros (Die Schreiner) verbindet in großformatigen Zeichnungen und raumgreifenden Skulpturen freie und angewandte Kunst zu visuellen Allegorien der Gegenwart. Handwerkliche Herstellungsprozesse und die bevorzugte Verwendung von Holz in den 1990er Jahren führten zum Namen des zunächst als Trio und seit 2003 als Duo agierenden Künstlerkollektivs Marco Castillo (*1971) und Dagoberto Rodríguez (*1969). Die Präsentation im Kunstverein Hannover zeigt einen facettenreichen Einblick in deren Werk von 1999 bis heute und ist die erste Einzelausstellung des Duos in Deutschland.

In der Zusammenführung von Architektur, Design und Skulptur entwickeln Los Carpinteros Werke, die sich vielfach auf die Geschichte und Gegenwart Kubas beziehen und die diese scharfsinnig wie humorvoll kommentieren. Mit spielerischer Leichtigkeit werden Gegensätze vereint und die originären Eigenschaften der Dinge aufgehoben. Form, Funktion und Bedeutung treten bei Los Carpinteros in produktiven Widerspruch; Seh- und Denkgewohnheiten werden lustvoll unterlaufen.

Die Arbeit »Cuarteto Rebelde« (aufmüpfiges Quartett) (2012) zeigt ein Arrangement aus Musikinstrumenten, das wie unter extremer Hitzeeinwirkung zu schmelzen scheint. Die Installation überträgt das Klischee von heißen lateinamerikanischen Rhythmen und tropischen Temperaturen in ein eindrückliches Bild. Zugleich ist es ein Beispiel für die Umdeutung eines vertrauten, funktionalen Objekts, das nun aus seinen formalen und funktionalen Zusammenhängen herausgelöst wurde. So bieten auch die kreisförmig angeordneten Taucherflossen in der Skulptur »Patas de Rana Turquesa« (Türkise Schwimmflossen) (2010) keine feste Widerstandsfläche mehr, sondern formen selbst eine kreisförmige Wellenbewegung.

Eine ambivalente und vielseitige Lesart ermöglicht ebenfalls die Skulpturengruppe mit dem ironischen Titel »Movimiento de Liberación Nacional« (Nationale Befreiungsbewegung) (2010). Edle schwarze
Barbecue-Grills in Form eines fünfzackigen Sterns vereinen ein Zeichen US-amerikanischer von Freizeitbeschäftigung mit dem Symbol einer klassenlosen Gesellschaft im Sozialismus. In einem subversiven Akt der Aneignung verliert das im Kontext Kuba für die Revolution stehende Zeichen jegliche Sprengkraft und verwandelt sich in einen alltäglichen Gebrauchsgegenstand.

Los Carpinteros führen Gegensätzliches zu einer skulpturalen Einheit zusammen, in der jeder Bestandteil solitär wahrnehmbar bleibt. Eine Synthese aus den Bereichen des Politischen und Privaten zeigt auch die Skulptur »Portaaviones« (Flugzeugträger) (2005). Das Modell eines Swimming Pools in Gestalt eines Flugzeugträgers verbindet das Bild unbeschwerten privaten Vergnügens mit einer Form militärischer Machtdemonstration und ist zugleich beispielhaft für die wiederkehrende Verwendung von Motiven aus dem unmittelbaren Umfeld Kubas. In der Mangelwirtschaft Kubas sind Pools zugleich übriggebliebene Statussymbole eines überwundenen Kapitalismus’ aus der Zeit vor der Revolution, die je nach Bedarf zu Viehställen oder Plantagen umfunktioniert wurden. Derartige Formen der Aneignung, Transformation und Umwertung werden in Los Carpinteros’ Werk pointiert aufgegriffen und selbstverständlich erscheinende Funktionen und Bedeutungen in neue, surreal anmutende Möglichkeitsformen überführt.

Auf reale Architekturen verweist nicht nur die Skulpturengruppe »Downtown« (2002–2003), die das Erscheinungsbild von prominenten Gebäuden u. a. in Havanna und Miami adaptiert und auf Möbel aus Holz überträgt. Auch bei den beiden Triptychen »Knin Lego« (2012) und »Nis Lego« (2012), dessen abgebildete bizarre Baukörper an futuristische Raumstationen erinnern, handelt es sich um sozialistische Monumente nahe der Städte Knin und Nis im ehemaligen Jugoslawien, die einst zur Glorifizierung eins Systems errichtet wurden und heute Zeichen einer gescheiterten Utopie sind. In ihren Zeichnungen haben Los Carpinteros diese Denkmäler aus Legosteinen konstruiert, die weniger für dauerhaften Bestand als vielmehr für spielerische Umformung stehen. Die instabil und brüchig wirkenden Baukörper überlagern verschiedene Bedeutungsebenen und stellen die Stabilität von sowohl architektonischen wie auch sozialistischen Strukturen in Frage.

Los Carpinteros setzen ihr skulpturales und zeichnerisches Werk als Appell an die individuelle Wahrnehmung und Denkfähigkeit ein und wenden sich gegen die konventionelle Festgelegtheit der Dinge zugunsten einer Auflösung eindimensionaler Bedeutung.

Die Ausstellung im Kunstverein Hannover entsteht in Kooperation mit dem Kunstmuseum Thun.

Pressekontakt:

Catharina Rahlff-Mackeprang
T 0511.1699278–12
presse@kunstverein-hannover.de
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Bildmaterial steht Ihnen auf unserer Website www.kunstverein-hannover.de unter dem Punkt »Presse« als Downloadservice zur Verfügung.
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Pressefrühstück und Ausstellungsvorbesichtigung: Donnerstag, 29. November 2012, 11.00 Uhr
Die Künstler sind zum Pressefrühstück anwesend.
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Eröffnung: Freitag, 30. November 2012, 20.00 Uhr
Katalog:
Zur Ausstellung erscheint in Kooperation mit dem Kunstmuseum Thun, Schweiz, ein Katalog
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Förderer:
Die Ausstellung wird gefördert durch die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die Sparkasse Hannover, das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie durch die artEDU Stiftung.
Der Kunstverein wird vom Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover institutionell gefördert.

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