Das ist kein Hungerstreik- das ist Folter!

Die Behörden verweigern Ralph Boes seit 7 Tagen das Geld für Essen. Für die Konsequenzen der Sanktionen- nämlich den daraus folgende Hunger, wollen sie aber nicht verantwortlich sein.
Sicher, in Berlin gibt es viele Mülltonnen, die noch Essbares bergen. Ein angeknabbertes Pausenbrot, ein angelutschter Apfel und dazwischen viele gute Pfandflaschen, die man nur noch beim Supermarkt um die Ecke in Bares einzutauschen braucht. Auch die Tafeln bieten ein herrliches Angebot, was immerhin bekömmlicher aussehen mag. Wem das immer noch nicht gut genug ist, der kann ja auch die Kleinkriminalität wählen. So verschwinden die lästigen Armen aus dem Verantwortungsbereich der Politiker. „In diesem Land muss doch niemand verhungern!“
Dass Ralph Boes seit 7 Tagen kein Geld mehr für Essen, geschweige denn Hygiene-artikel, Praxisgebühr oder Stromzahlungen hat, scheint keinen Abgeordneten der etablierten Regierungsparteien zu erschüttern. Immerhin hat man sich mit dem SGBII System häuslich in dem Glauben eingerichtet, dass die freundliche Verteilung der Steuergelder an Bedürftige eine gewisse Gegenleistung verlangt. Wer keine Arbeit mehr findet, soll schließlich arbeiten, um „Arbeitslosengeld“ rechtmäßig zu erhalten. Welcher Irrsinn da vertreten wird, geht unter Banken-Rettungswahnsinn, Euro-Krisengipfeln und Chinesischen Dumpingimporten unter.
Schon längst ist das sogenannte Sozialhilfesystem zu einem Unternehmersubventionsprogramm verkommen, dass vielleicht vielen hilft, aber nicht den Arbeitssuchenden. Denn die Arbeitsagenturen zahlen nicht nur sinnlose Bewerbungs- und Beschäftigungsmaßnahmen, sondern auch das Geld, was sich die Unternehmer an Lohnkosten sparen können. Sogenannte „Aufstocker“ arbeiten Vollzeit, ohne von ihrem monatlichen Gehalt leben zu können. Die Agentur springt ein und stockt liebevoll das Geld auf das Existenzminimum auf. Auch wer schon länger nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt tätig war, kann eine neue Stelle finden, in dem er einen gewissen Anteil seines Lohnes durch die Agentur gleich mitbringt. „Wiedereingliederungszuschuss“ nennt sich die Maßnahme, um Unternehmern die Arbeitskräfte schmackhaft zu machen. Zeitarbeitsfirmen sprießen aus dem Boden, um Entlassene unter schlechteren Bedingungen in dieselben Firmen wieder zurück zu vermitteln. Hinter all dem steht eine bisher gut funktionierende Drohkulisse: Hartz-IV!
Denn wer darin landet, zählt zu denen, über die die Medien nur Schlimmes zu berichten wissen. Sie stinken, sie saufen, sie gammeln und vor allem sind sie eins: stinkfaul! Wer einmal dieses Stigma auf sich geladen hat, Hartz-IV zu sein, kann sich in seinem alten Freundeskreis kaum noch blicken lassen. Denn der Glaube sitzt zu tief und ist auch gar zu schön, dass „wer Arbeit sucht, auch welche findet!“
Während wir uns langsam daran gewöhnt haben, dass Bedürftige sich ihr Existenzrecht erst verdienen müssen, haben wir im gleichen Zuge unser Bewusstsein für die Menschenwürde und das Grundgesetz verloren. In einer harten Welt, wo es niemand leicht hat und die Welt kein Wunschkonzert ist und wo man schließlich selbst auch für wenig Geld 50 Stunden die Woche Schuften muss, da mag es nicht mehr nachvollziehbar sein, dass es ein Grundrecht gibt, was die Würde des Menschen für unantastbar hält. Da mag es ganz weit weg sein, dass es ein Recht auf Unversehrtheit der Person gibt und ein Recht auf freie Berufswahl oder ein Verbot der Zwangsarbeit.
Ralph Boes hungert, weil er öffentlich darauf aufmerksam machen möchte, was für ein Unrecht hier geschieht und fast unbemerkt schon Tausende ereilte. Er hungert, weil der Staat ihm 90% des ohnehin schon umstrittenen Regelsatzes zum Leben gestrichen hat. Die Konsequenzen dieser Strafe, nämlich das Hungern eines Menschen in einem reichen Land, kann Nichts rechtfertigen. Auch nicht, dass hier Steuergelder fleißiger Bürger verteilt wurden. Denn diese Sanktion, die man als nichts anderes als eine Folter bezeichnen kann, hat keinen anderen Zweck, als einen erwachsenen Menschen zu einem staatlich erwünschten Verhalten zu zwingen. Es ist nicht weniger als eine Erziehungsmaßnahme durch harte Strafe mit abschreckender Wirkung, damit bloß niemand in diesem Staat auf die Idee kommen mag, dass Hartz-IV irgendwie gemütlich ist. Das würde das Ausweiten des Niedriglohnsektors leidlich stören.
So betrifft der Hunger des Einen in Wahrheit ein ganzes Land. Denn es geht um die Würde des Menschen, das Recht auf Leben und die Rückgewinnung guter Löhne und sinnvoller Arbeit.
Wem das zu langweilig erscheint, der stelle sich das Gegenteil vor.
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