Heizdecken oder Wunderpillen:Mit überteuerten Produkten werden Rentner bei Kaffeefahrten abgezockt

Vermeintlich seriöse Anbieter werben mit einer attraktiven Busfahrt Kunden an.

Doch oft endet diese dann aber als reine Verkaufsveranstaltung, bei der die Fahrgäste auf aggressive Weise unter Druck gesetzt werden, völlig überteuerte, teilweise auch nutzlose Produkte zu kaufen – etwa die berüchtigte Heizdecke oder Nahrungsergänzungsmittel, die als Wunderpillen angepriesen werden.

Oftmals wird die Kaffeefahrt auch als vermeintlicher Gewinn verkauft, bei dem der Preis auf einer Busfahrt überreicht werden soll.

Dass die “Gewinner” zuvor niemals an einem Gewinnspiel teilgenommen haben und ein Preis gar nicht ausgezahlt wird, gehört zur Strategie der Reisen.

Diese erfreuen sich zur Sorge von Verbraucherschützern aber wachsender Beliebtheit. Jeden Tag sollen rund 400 Kaffefahrt-Busse auf Deutschlands Landstraßen unterwegs sein. Verbraucherschützer schätzen, dass etwa fünf Millionen Deutsche pro Jahr bei einer solchen Fahrt mitmachen.

Hermann Kipnowski, ehemaliger Polizist, 76 Jahre alt und der Alptraum eines jeden Kaffeefahrtveranstalters.

75 Verkaufsveranstaltungen hat der rüstige Rentner mittlerweile auffliegen lassen. Am Anfang hat er selbst an „Kaffeefahrten“ teilgenommen. Mittlerweile kennen ihn die Veranstalter und Busfahrer (er ist verbrannt) und bleibt im Hintergrund.

Er verfolgt die Reisebusse, schleust Informanten ein und holt in dem Moment, wenn die alten Leute Kaufverträge unterschreiben sollen, Ordnungsamt und Polizei.

Bei solchen Veranstaltungen werden Senioren mit Geschenk- und Gewinnversprechen angelockt und dann fachmännisch überredet, für viel Geld Nahrungsergänzungsmittel oder andere, meist überteuerte Sachen zu kaufen.

Die Verkäufer auf solchen Präsentationen beherrschen die Tricks perfekt.

Die “Wir-sind-anders”-Masche.

Der Verkäufer spricht ganz bewusst den nicht immer guten Ruf dieser Kaffeefahrten an.

„Ich weiß, dass es viele schwarze Schafe in dieser Branche gibt. Aber WIR sind ganz anders.“

(Das war die erste Lüge. Die zweite kommt, wenn er sich vorstellt. Grundsätzlich ist der Name falsch.)Das konkrete Ansprechen von miesen Machenschaften schafft Vertrauen. „Da ist ja einer mal richtig ehrlich…“

„Wir wollen nichts verkaufen.“ Natürlich erklärt der Verkäufer genau, wie Magneten auf den menschlichen Organismus wirken und was sie alles können:

„Zum Beispiel Schlaganfall und Herzinfarkt vorbeugen, Kopfschmerzen lindern, Bluthochdruck senken. Leider sei seine neueste Erfindung – eine spezielle Magnet-Einlegesohle – heute noch nicht auf dem Markt”.

Tipp:

Lassen Sie sich auf Kaffeefahrten ruhig einmal unterhalten, verzehren Sie die Speisen und nehmen Sie die Geschenke mit – aber Sie sind nie zu einer Bestellung oder einem Kauf verpflichtet.

Merke:

Unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht ganz genau verstanden haben. Unterschriften sind nie „reine Formsache“. Achten Sie bei Verträgen auf das Datum und die Unterschriften.

Die Belehrung über Ihr Widerrufsrecht muss im Vertrag gesondert unterschrieben werden. Ein fehlendes oder falsches Datum erschwert die Durchsetzung Ihres Widerrufsrechts.

Fordern Sie eine Vertragsdurchschrift, auf der Name und Anschrift des Vertragspartners deutlich lesbar sind.

Wenn Sie vom Vertrag zurücktreten möchten:

Schicken Sie einen schriftlichen Widerruf (Einschreiben mit Rückschein) binnen 14 Tagen nach Vertragsabschluss an den Verkäufer.

Wenn Sie sich betrogen fühlen, scheuen Sie nicht den Anruf bei der Polizei.

Diese prüft nicht nur Straftatbestände (unzulässige und strafbare Werbung nach § 4 UWG) sondern auch bei der zuständigen Ordnungsbehörde, ob die Veranstaltung angemeldet wurde.

Zwei Wochen vorher muss dieses „Wanderlager“ gemäß § 56 a Gewerbeordnung bei der zuständigen Behörde angezeigt werden.

Bei fehlender Anzeige begehen die Verkäufer eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis 1000 Euro geahndet werden kann.

(Die meisten Verkäufer kommen ihrer Anzeigepflicht nicht nach, weil schon ihre Einladung gesetzliche Normen verletzt.)

Nach dem Gesetz zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb kann sich der Verkäufer sogar strafbar machen, wenn er versprochene Geschenke nicht überreicht.

Auf jeden Fall haben Sie seit dem 01. 07. 2000 einen Anspruch auf die versprochenen Geschenke.

Damals trat das Fernabsatzgesetz in Kraft. Das Bürgerliche Gesetzbuch –BGB- wurde um den § 661 a ergänzt. Demzufolge müssen Gewinnversprechen eingehalten werden, auch wenn nur „der Eindruck erweckt wurde.“

Nach dem Willen von Hessens Verbraucherschutzministerin Lucia Puttrich (CDU) soll mit der Kaffeefahrtabzocke bald Schluss sein. Zusammen mit ihrer bayerischen Amtskollegin Beate Merk (CSU) reichte sie am Freitag auf dem Treffen der Verbraucherschutzminister in Hamburg einen entsprechenden Antrag ein – der auch angenommen wurde.

Das man den Kaffeefahrtengaunern(im Gegensatz zu Wachtberg-Villip)aber auch ganz anders kommen kann, beweist die Verwaltung des Lahn-Dill-Kreises, der nach eigenen Angaben sozusagen Kaffeefahrten frei ist.

Die Kreisverwaltung veröffentlicht im Internet eine Warnliste zu Kaffeefahrtenveranstaltungen im gesamten Bundesgebiet.

Dabei wird beispielsweise auf Einladungen und “Gewinnmitteilungen” hingewiesen, die Titel wie “VIP-Ausflugsfahrt”, “Traditionelle Jubiläums-Sommerfahrt” oder “Jackpotübergabe in Höhe von 7.500 Euro” tragen. Die Absenderadressen beinhalten fast immer nur ein Postfach als Angabe.

Das Versprechen von Geldgewinnen, Sachpreisen oder Geschenken, die im Rahmen einer Busfahrt übergeben werden sollen und die Verwendung einer Postfachadresse oder einer anderweitig irreführenden oder falschen Adresse im Schreiben oder in der Antwortkarte sowie die Möglichkeit, noch andere Personen zur Fahrt mitzunehmen, sind untrügliche Zeichen für eine unseriöse Kaffeefahrt, an deren Ende es die Gewinne niemals gibt, aber immer Abzocke erfolgt.
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