Prof. Querulix und die Sinnfrage

„Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie“, lesen wir bei Friedrich Nietzsche. Die Sinnfrage ist für den Menschen eine existentielle Frage, sowohl für sich individuell wie auch für die Gesellschaft, in der er lebt. Die Sicherheit hinsichtlich der grundlegenden Werte und Ziele seines Daseins, macht den glücklichen, lebensbejahenden Menschen aus. Das Maß der Übereinstimmung der Menschen hinsichtlich der grundlegenden Werte und Ziele ihrer Gesellschaft macht die Qualität des Zusammenlebens aus, entscheidet über die moralischen Standards ebenso wie letztlich über Krieg und Frieden.

Der Aphoristiker, Satiriker und Gebrauchsphilosoph Prof. Querulix schreibt: „Wer in mein Haus kommt, ist dort Gast und hat sich entsprechend zu benehmen. Er hat dort meine Werte zu achten und meine Regeln zu respektieren. Möchte er das nicht, steht es ihm frei, zu bleiben, wo er zu Hause ist, und dort so zu leben wie er es für richtig hält. Aber ich werde auch nicht seinen kleinsten Versuch dulden, mir in meinem Haus seine Werte und seine Regeln aufzudrängen.“

Im gesellschaftlichen Rahmen eines Staates ist es wichtig, grundlegende Werte zu definieren, für die die Gesellschaft steht und die vom Staat geschützt werden. Je weniger klar ist, welche Werte gelten sollen, desto mehr und desto heftigere Auseinandersetzungen entstehen. Der gesellschaftliche Friede ist ständig gefährdet, weil fortwährend um die Geltung von Werten und Regeln gekämpft wird. Deshalb ist es unabdingbar, daß konsequent das allgemeine Wohl gegenüber Sonderinteressen durchgesetzt wird. Das gilt für die materiellen Sonderinteressen genauso wie für die ideellen.

Die zögerliche und inkonsequente Haltung gegenüber Sonderinteressen liegt offensichtlich an einem falschen Verständnis von Freiheit und Toleranz, und zwar derart, daß geglaubt wird, sie hätten keine Grenzen. Dabei sind Grenzen für die Freiheit ebenso lebenswichtig wie Grenzen für die Toleranz. Ohne Grenzen wird Freiheit zur Anarchie und Toleranz zur Selbstaufgabe. Die Grenzen von Freiheit und Toleranz liegen dort, wo die gleiche Freiheit und der Respekt vor den gleichen Rechten der Mitmenschen beginnen.

Um das weitere Vordringen von Profitgier und Aberglauben zu verhindern, die derzeit beginnen, die abendländischen Gesellschaften zu zerfressen, ist es hohe Zeit, gegen zu steuern. In einem säkularen Staat sind Ideologien wie Religionen Privatsache und haben im öffentlichen Raum nicht zu suchen. Obwohl die Lebenspraxis der meisten Bürgerinnen und Bürger dem bereits entspricht, ist die Politik in Deutschland davon noch allzu weit entfernt. Eine Gesellschaft der Beliebigkeit, in der einzelne und Gruppen unaufhörlich Sonderinteressen durchzusetzen versuchen, und in der die Machtkämpfe notdürftig von den Regeln eines den wenigsten Menschen verständlichen juristischen Glasperlenspiels in Schach gehalten werden, ist auf Dauer nicht überlebensfähig.

Von ausufernden materiellen Sonderinteressen einiger Teile der Wirtschaft, der Banken und der Großspekulanten werden die abendländischen Gesellschaften zur Zeit geradezu zerfressen. Es scheint, daß die Politiker, die doch eigentlich dem allgemeinen Wohl verpflichtet sein sollten, sich in ihrer Mehrheit bereits den Sonderinteressen verschrieben haben. Die Folgen sehen wir in Gestalt einer fortschreitenden Massenverarmung bei gleichzeitiger exorbitanter Steigerung von Einkommen und Vermögen einer von der Politik begünstigten Minderheit. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Sozialstrukturen der westlich-abendländischen Gesellschaften der von Schwellenländern entsprechen. Und die sozialen Probleme sowie der brüchige soziale Friede werden sich den Verhältnissen in diesen Ländern auch angleichen.

Wollen wir das?

Wenn ja, dann nur weiter so! Wenn wir es aber besser machen wollen, dann ist es jetzt höchste Zeit, zu handeln. Dazu wäre erforderlich, daß sich die Politiker nicht nur formal, sondern auch inhaltlich, das heißt aus Überzeugung und dokumentiert durch ihr Handeln ohne Wenn und Aber zu Säkularität und Allgemeinwohlorientierung als obersten Werten der Gesellschaft bekennen.
Der Umgang mit ihren Nebeneinkünften (die in wohl gar nicht wenigen Fällen in Wirklichkeit die Haupteinkünfte sein dürften) und deren transparenter Veröffentlichung wird übrigens wieder ein Zeichen setzen, ob die Politiker ihre Rolle und ihre Aufgaben tatsächlich strikt als dem Allgemeinwohl oder eher Sonderinteressen verpflichtet sehen.

Die Unsicherheit hinsichtlich der Werte, die gelten sollen, schwächt die kulturellen Selbstbehauptungskräfte einer Gesellschaft, macht sie anfällig für Rattenfänger aller Art und begünstigt das Wirken von Demagogen und religiösen Eiferern. Insofern haben die Politiker eine außerordentlich verantwortungsvolle Aufgabe. Ihr eigenes Verhalten beantwortet vorbildlich die Frage: Welche grundlegenden Werte vertreten wir als Volksgemeinschaft? Karrieristen, Lobbyisten für Sonderinteressen, Diener des Götzen Mammon, Plagiatoren und Versager bei der zukunftsorientierten Gestaltung der Gesellschaft sind sicherlich für die überwältigende Mehrheit der Menschen nicht die Vorbilder für die Werte und Ziele, die sie sich als bestimmend für die gesellschaftliche Zukunft wünschen.

Die abendländischen Gesellschaften stehen zweifellos am Scheideweg. Den Kopf weiterhin in den Sand zu stecken, Probleme einfach auszusitzen und sich irgendwie durch den wachsenden Schlamassel durchzuwursteln, wird den bereits unübersehbaren Verfall nicht aufhalten. Daß sich die Politik bessert, ist eher unwahrscheinlich. Erschwerend kommt hinzu, daß die durch sträflich unkluge Politik ermöglichte, ja geförderte Banken- und Staatsschuldenkrise noch viele Jahre lang Wohlstand vernichten wird.

Der deutsche Volksmund weiß seit langem: „Der Unschuldige muß das Gelag‘ bezahlen“. In diesem Sinne bleibt nur, mit dem Schlimmsten zu rechnen und dennoch selbst das Gute zu tun. „Wir sind nicht auf der Welt, um nach dem Sinn unseres Daseins zu suchen, sondern um unserem Dasein Sinn zu geben“ schreibt Prof. Querulix in seinem neuesten Aphorismenband „Volksmund tut Weis- und Wahrheit kund“ (ISBN: 978-3-943788-20-4, eBook 393 S., 24,95 Euro, erhältlich in jeder guten (Internet-)Buchhandlung oder beim Verlag www.read.ruedenauer.de).

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