Sollen auf Lohndumping jetzt Hungerrenten folgen?

Ein deutsches Sprichwort lautet: Wer neunundneunzig Jahre dient, hat im hundertsten kein Brot. So könnte es in Zukunft für viele Millionen Rentner aussehen: Trotz lebenslanger Arbeit haben sie im Alter statt einer auskömmlichen Rente nur ein Almosen zum Vegetieren. Besonders betroffen sind Gering- bis Durchschnittsverdiener.

Daß die Ministerin für Arbeit und Soziales, Frau von der Leyen, das Problem der bevorstehenden massenhaften Altersarmut endlich thematisiert, wäre eigentlich lobenswert. Ihr vollkommen unzureichender, weil die allermeisten Bedürftigen ausschließender Vorschlag für eine Zuschußrente macht diesen allerdings unglaubwürdig. Nimmt man noch die von der CDU/FDP-Koalition geplante Senkung des Rentenversicherungsbeitrags um 0,6 Prozentpunkte vom 1.1.2013 hinzu, fragt man sich, ob die derzeit Regierenden den Ernst der Lage überhaupt erkannt haben, ihn erkennen wollen. Die Beitragssenkung führt nämlich zu einer unnötigen deutlichen finanziellen Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung, wo doch gerade das Gegenteil erforderlich wäre, nämlich deren Stärkung, um zum würdigen Leben auskömmliche Renten sicherstellen zu können.

Wenn es der Ministerin tatsächlich ernst sein sollte mit dem Schutz der Deutschen vor Altersarmut, müßte sie folgende Ursachen für die von ihr beklagte, für viele Rentner bereits eingetretene Altersarmut berücksichtigen:

1. Ausbeutung in Form von Minimallöhnen, die in besonders krassen Fällen auf Kosten der Steuerzahler mit Hartz-IV-Zahlungen aufgestockt werden; ein unmenschlicher Unsinn, der auch von der Partei der Ministerin gewollt ist.

2. Ausbeutung in Form von Leiharbeit, Werkvertragsarbeit oder Scheinselbständigkeit – ebenso unsinnig und unmenschlich und auch von ihrer Partei gewollt.

3. Die nach Erkenntnissen wissenschaftlichen Untersuchungen unter Rentnern immer noch weitverbreitete Scham, Sozialhilfe – gleich welcher Art – überhaupt nachzufragen.

Die katastrophalen Folgen der unchristlichen und unsozialen Umverteilungspolitik von unten nach oben seit der Ära Schröder sind bereits heute unübersehbar: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen erbringen seitdem infolge gesunkener Löhne immer häufiger vollkommen unzureichende Renten. Noch schlechter sieht es für die zahlreichen nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus. Gebrochene Erwerbsbiographien, die infolge der Arbeitsmarkt-Reformen erheblich zugenommen haben, wirken sich noch gravierender auf das spätere Alterseinkommen aus. Wer zum Beispiel vor Erreichen des Rentenalters arbeitslos geworden ist und vorher (schein-)selbständig war, bekommt die Zeit der Arbeitslosigkeit nicht mehr angerechnet. Das mindert seinen Rentenanspruch erheblich. Hat er auch noch das „Pech“, erst nach Berufsausbildung und einigen Jahren Berufstätigkeit auf dem Zweiten Bildungsweg eine akademische Ausbildung absolviert zu haben, wird ihm auch ein Teil seiner Ausbildungszeiten gestrichen. Wer unter solchen Umständen nicht auf einem guten sozialversicherungspflichtigen Posten oder als Beamter ordentlich verdient, ist im Alter ziemlich dumm dran.

Der von der Leyensche Vorschlag hilft nur einer winzigen Minderheit der von Altersarmut Betroffenen. Die Mehrheit wird durch ihren „Lösungsvorschlag“ ausgeschlossen. Weiß die Ministerin dies nicht? Kaum zu glauben. Es dürfte von ihr genauso vorgesehen sein.

Private Vorsorge für eine gute Altersrente, wie sie von weltfremden überversorgten Politikern immer wieder gefordert wird, ist immer weniger Mitbürgerinnen und Mitbürgern möglich. Und die, denen es möglich wäre, sehen sich einerseits der Ausbeutung durch Bankster und andere Finanzhaie ausgesetzt und müssen andererseits die Entwertung ihrer Rücklagen durch die zur „Lösung“ der Banken- und Staatsschuldenkrise begonnene Geldvermehrung befürchten. Erst kürzlich kam das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, daß die Riesterrente sich als Fehlschlag erwiesen habe.

Künftig werden es viele Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger sein, die auf die eine oder andere Weise durch die Maschen des Rentenrechts rutschen und weder mit einer Zusatzrente noch mit nennenswerten Einkünften aus privater Vorsorge rechnen können. Besonders schlimm: Auch die 2003 eingeführte Grundsicherung für Rentner mit Rentenansprüchen, die unter dem Existenzminimum liegen, erfüllt ihren Zweck nach einer anderen Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung nicht annähernd.

Wegen der sozialen Folgen einer massenhaften Altersarmut, der dadurch sinkenden Binnennachfrage und möglicherweise auch unangenehmer politischer Entwicklungen infolge zunehmender Unzufriedenheit der Bevölkerung ist es dringend geboten, schnellstens eine wirkliche Lösung für dieses Problem zu finden. Dies ist um so notwendiger als die Rettung der südeuropäischen Pleitestaat mit der Notenpresse den Deutschen wieder deutlich höhere Inflationsraten bescheren wird. Außer den Geldsparern werden die Geringverdiener darunter besonders zu leiden haben.

Der unzureichende Vorschlag der Arbeits- und Sozialministerin ist den Aufwand nicht wert, den seine Erarbeitung gekostet hat. Wirkliche Lösungen für die sich abzeichnende Altersarmut müssen ganz anders aussehen. Das sollte eine intelligente Frau wie Ministerin von der Leyen, doch auch wissen, vor allem, wenn sie sich einer Partei angeschlossen hat, die als „christlich“ firmiert und sich im schönen Bayernland sogar zusätzlich noch mit dem Etikett „sozial“ schmückt.

Ein ernst zu nehmender Vorschlag ist dagegen ein unbedingtes individuelles Grundeinkommen. Seine Machbarkeit war vor einigen Jahren einmal Gegenstand einer Studie mit dem Titel: Unbedingtes individuelles Grundeinkommen in Gestalt einer negativen Einkommensteuer - Kernstück einer unvermeidlichen Radikalreform unserer Gesellschaft (ISBN 978-3-943788-18-1, 79 S., 9,95 Euro, Verlag READ – Rüdenauer Edition Autor Digital), zu beziehen über jede gute (Internet-)Buchhandlung oder direkt beim Verlag.

Leider wissen wir aus der Geschichte und aus persönlicher Erfahrung, daß Politiker(innen) nun einmal so sind wie sie immer schon waren, ganz gleich, unter welcher ideologischen Flagge und an welcher Klientel orientiert sie ihr Amt ausführen. Mit einer Lösung des Problems der Altersarmut, die ihren Namen verdient, ist deshalb kaum zu rechnen. Dennoch ist es nicht vollkommen ausgeschlossen, daß Politiker eines Tages – vielleicht in der größten Existenznot der abendländischen Gesellschaften und Kulturen – doch einmal im Sinne des Allgemeinwohls handeln.

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