Klage vor dem Landgericht Köln

Die Klage von zwei ehemaligen Heimkindern gegen das Landesjugendamt wurde am 29.08.2012 in einem Verkündungstermin abgewiesen, da – laut Gericht – die Klägerinnen nicht präzise nachweisen konnten, dass die Aufsichtsbehörde (das Landesjugendamt) sich in genau dem in Frage kommenden Zeitraum und dem entsprechenden Heim einer Pflichtverletzung schuldig gemacht habe. Das Gericht ist in seiner Begründung auf die Beweislastumkehr (d.h. das Landesjugendamt muss beweisen, dass es seiner Aufsichtspflicht in Heim und Zeitpunkt sehr wohl nachgekommen war) nicht eingegangen.

Eben sowenig ging das Gericht in seiner Begründung auf die Verjährung ein und gab damit zu verstehen, dass die Ansprüche ehemaliger Heimkinder nicht grundsätzlich verjährt seien!

Das Urteil lässt Fragen offen:

--> In seiner Entscheidung beruft sich das Gericht auf ungenügende Beweise – dennoch hatte der Richter bei der Verhandlung im Juli hervorgehoben, dass den Darstellungen der Klägerinnen umfassend Glauben geschenkt werden müsse.

--> Das Gericht machte sich den mehr als deutlichen Hinweis auf die Beweislastumkehr des BVerfG nicht zu eigen.

Es gibt nun Gründe und eine gute Basis, in die Berufung zu gehen:

-->Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Bescheid (1 BvR 3023/11) deutlich gemacht, dass den ehemaligen Heimkindern nicht unbedingt zugemutet werden könne, eindeutige Beweise zu erbringen, da sie erstens Kinder waren und sich zweitens in einer Ausnahmesituation befanden und unter Umständen bis weit in das Erwachsenenalter hinein traumatisiert waren. In diesem Bescheid sprachen die Bundesverfassungsrichter auch von der Möglichkeit der Beweislastumkehr. Das würde in diesem Fall bedeuten, dass das Landesjugendamt nachweisen müsste, dass es seiner Aufsichtspflicht in dem fraglichen Zeitpunkt zweifelsfrei nachgekommen ist!

--> Dass das Gericht in seiner Abweisung grundsätzlich die Frage der Verjährung ausklammert, ist Hinweis darauf, dass ein Gericht (selbst ein deutsches!) befinden kann (und wird), es gebe eine Hemmnis der Verjährung.

Besonders aber gilt: Wir haben NIE damit gerechnet, dass gleich das erste Verfahren bei der ersten Verhandlung erfolgreich sein wird. Immer wieder haben wir diskutiert, wer die Kraft und das Durchhaltevermögen hat, es bis zum obersten deutschen Gericht und dann womöglich weiter bis zum Europäischen Gerichtshof zu schaffen. Denn dort landet jemand, der vor deutschen Gerichten kein Recht bekommt. Es ist übrigens die einzige Möglichkeit sowohl vor dem Bundesgericht, dem Bundesverfassungsgericht oder auch vor dem Europäischem Gerichtshof Gehör zu bekommen:

"Nach dem verfassungsprozessrechtlichen Grundsatz der Subsidiarität, der in § 90, Abs. 2, BverfGG zum Ausdruck kommt, ist auch eine unmittelbar gegen gesetzgeberische Maßnahmen gerichtete Verfassungsbeschwerde nur dann zulässig, wenn der Bewschwerdeführer zuvor erfolglos alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen. Dadurch wird vermieden, dass das Bundesverfassungsgericht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen trifft. Das Durchlaufen des Rechtswegs ist insbesondere dann geboten, wenn die Gerichte durch die Ausnutzung einfachrechtlicher Entscheidungsspielräume auf verfassungsrechtliche Problemlagen reagieren könnten. Die vorherige Anrufung der Fachgerichte ist dann verzichtbar, wenn es offensichtlich sinn- und aussichtslos wäre, die gerügte Grundrechtsverletzung auf diesem Wege zu beheben."

Wir werden die beiden Klägerinnen aus unseren Reihen weiterhin solidarisch begleiten!

30.08.2012: |