Bankrechts-Reform und Bankenstruktur-Veränderungen gegen die europäische Bankenkrise – von Dr. Horst Siegfried Werner

Die letzte große Bankrechtsreform durch eine Novellierung des Kreditwesengesetzes stammt von 1934 nach der großen Bankenkrise aus dem Jahre 1931. Diese vor über achtzig Jahren durchgeführte große Bankrechtsreform berücksichtigte die vorangegangenen Erfahrungen aus der Bankenkrise nach der Weltwirtschaftskrise von 1929. Heute haben wir eine viel größere, europäische Bankenkrise mit globalen Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft. Die Dimension der Krise der Finanzwirtschaft ist um ein Mehrfaches größer als das Kapitalvolumen der Realwirtschaft. Ein negativer Ausgang der Bankenkrise könnte dementsprechend die weltweite Konjunktur und die Realwirtschaft in den Abgrund ziehen.

Viele reden von Bankenrettung, vom Rettungsfonds ESM, von europäischer Bankenaufsicht und verschärfter Bankenkontrolle. Das verwundert außerordentlich, denn alle öffentlichen Diskussionen über Banken packen das Problem nicht an der Wurzel. Stattdessen wird nur gejammert, lamentiert und letztendlich Geld zur Rettung der Banken freigeschaufelt. In Spanien – so haben es die Fachleute festgestellt – ist nur die Bank Santander systemrelevant, aber dennoch sollen demnächst Euro 100 Mrd. zur Rettung von 21 spanischen Banken bereitgestellt werden. Alle öffentlichen Diskussionen laufen über dieses „viele Geld“ nach dem Motto „Wer kann das bezahlen ?“ Man spricht über die zu verschärfende und zu vereinheitlichende europäische Kontrolle der Banken, obwohl jedem Praktiker bewusst ist, dass Kontrolle immer etwas Nachträgliches ist. Es geht nicht um vorherige Genehmigung von zukünftigen geschäftlichen Handlungen, sondern um das Nachprüfen des Geschehenen ( = Kontrolle ). Alles dies zeugt von Hilflosigkeit und Konzeptionslosigkeit der politisch Verantwortlichen. Deshalb sind die Kapitalmärkte weiter beunruhigt und ohne Vertrauen in das politische Handeln. Die Märkte sehen, dass die verantwortlichen Akteure einer nachhaltigen Problemlösung praktisch keinen einzigen Schritt näher kommen. Vor lauter Hilflosigkeit schaut jetzt alles nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht, dem man alles vor die Tür geworfen hat.

Das europäische Haus mit dem größten Zimmer ( der Banken-Lounge ) steht in Flammen, die bis über den Dachstuhl hochschlagen. Vor dem brennenden Haus sitzen die Politiker bzw. die Eurogruppe und diskutieren darüber, bei den Kindern demnächst besser auf die Streichhölzer aufzupassen. Aber niemand kümmert sich um den großen offenen Öltank im Keller des brennenden Hauses. In den Talk-Shows wird beklagt, dass das Löschen des Brandes so viel Wasser kostet. Und ein Ahnungsloser in einem renommierten Berliner Wirtschaftsinstitut schlägt auch noch eine völlig überflüssige Zwangsanleihe vor, die zudem offenkundig verfassungswidrig wäre ( siehe Pressemitteilung von Dr. Horst Siegfried Werner vom 12. Juli 2012 ). So fragt sich alle Welt, wo bleibt eigentlich im Lande der Dichter und Denker die deutsche Wirtschafts-Intelligenz ?

Mit Basel III wurde die Zahlengläubigkeit und Mathematisierung des Kreditgeschäftes weiter vorangetrieben und schwächt damit in den Entscheidungsprozessen die realwirtschaftliche und vernunftwirtschaftliche Sichtweise. Es kann zu Kreditentscheidungen führen, die zwar formal richtig sind und den aufsichtsrechtlichen Regeln entsprechen, die aber volkswirtschaftlich und mittelstandsbezogen weniger wünschenswert sind. Zudem werden potentielle Kreditnachfrager des Mittelstandes mit durchschnittlichen Ratings ungünstiger und mit unverhältnismäßig hohen KK-Zinsen belastet oder bekommen zu häufig überhaupt kein Bankdarlehen für Investitionen oder Auftragsvorfinanzierungen. Eine überbordende Regulierung des Kreditgeschäfts bringt deshalb eher eine gänzliche Abkehr von den Basel-Richtlinien oder führt in den Banken zu Bilanztricks, die den Blick für seriöses Wirtschaften verstellen. Wegen fast undurchsichtiger Regelwerke weichen dann die Banken mit ihrem Kapital in die Gründung von Investmentgesellschaften und Finanzierungsgesellschaften als Schattenbanken aus, die überhaupt nicht mehr der Bankenaufsicht unterliegen. Gesetzesvereinfachung ist gefordert mit einer stärkeren Regel-Ausrichtung auf die volkswirtschaftlich notwendige Kapitalversorgung der Realwirtschaft und des breiten Mittelstandes. Gleichzeitig sind den Banken Umleitungswege in die unkontrollierte Schattenwirtschaft zu versperren.

Frau Merkel ist Physikerin – aber schläft denn die ganze versammelte Ministerialbürokratie in Berlin ? Brauchen wir Jahre, bis des „Pudels Kern“ erkannt wird ? Es muss eine große deutsche und dann auch europäische Bankrechts-Reform her – wie nach der Bankenkrise 1931. Nur ein Stichwort dazu: Entflechtung von Großbanken, damit keine Flächenbrände mehr entstehen können und Brandschutzmauern errichtet werden ( siehe Publikation des Verfassers vom 05. 07 2012 ) . Es ist Aufgabe, den großen Öltank im europäischen Haus vor dem Feuer zu sichern und nicht nur die Knallerbsen im Vorgarten weg zu räumen.