Was zieht man den Kleinen da eigentlich an? | Produktion und Nachhaltigkeit bei Kinderkleidung

"Bio" und "Öko" ist nicht gleich "Bio" und "Öko"!

Verantwortungsbewusste Eltern und Kunden reiben sich erstaunt die Augen: Fast alle Modefirmen, auch für Kinderkleidung, versprechen inzwischen Öko-Mode und Nachhaltigkeit. Weltweit erfüllt jedoch nur etwa 1% der Baumwollproduktion die Kriterien für Bio-Baumwolle. Beim konventionellen Anbau von Baumwolle werden jede Menge Dünger und Pestizide verwendet. Laut Greenpeace landen für jedes T-Shirt 150 Gramm Gift auf dem Acker. Der konventionelle Baumwollanbau verbraucht 10 Prozent aller weltweit eingesetzten Pestizide. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jährlich Tausende Feldarbeiter an den Folgen.Wie passt das zusammen? Bei der Beurteilung durch viele Öko- und Bio-Siegel für Bekleidungssachen werden das sozial-ethische Engagement der Hersteller, ob alle Beteiligten beim Baumwollanbau, in den Färbereien und Nähereien fair bezahlt werden, ob die Baumwolle umweltschonend angebaut wird und ob schädliche Chemikalien vermieden werden, bewertet.

Fakt ist: Für 5 Euro bekommt man kein T-Shirt aus Bio-Baumwolle, bei dessen Produktion faire Löhne bezahlt wurden. Wer wirklich nachhaltige Mode kaufen möchte, sollte sich an den verlässlichen Zertifizierungen für gesundheitlich unbedenkliche Ökomode mit akzeptablen Sozialstandards orientieren. Hierbei zu beachten ist, dass nur der gesetzlich geschützte Begriff „aus kontrolliert biologischem Anbau“ sicher stellt, dass die Baumwolle nach den EU-Richtlinien des Öko-Landbaus hergestellt wurde (ohne Pestizide, Gentechnik, etc.). Das Fairtrade bzw. das Fairtrade Certified Cotton-Siegel garantiert darüber hinaus faire Mindestpreise für Baumwolle aus Entwicklungsländern. Zu beachten ist, dass der Begriff „Bio-Baumwolle“ im Gegensatz zu Bio-Lebensmitteln nicht geschützt ist. Dieser kann auf jedes Kleidungsstück gedruckt werden, egal wie viel Pestizide beim Baumwollanbau oder wieviel giftige Chemikalien beim Fäben verwendet werden. Vergleichbar verhält es sich mit diversen, selbst kreierten Öko-Labels der Hersteller und Handelsketten. Sie haben meist kaum nachvollziehbare Aussagekraft und dienen meist eher dem Marketing.

Wie kommt diese Entwicklung zustande?

"Produktion in Deutschland?" - "Das könnten wir uns einfach nicht leisten. Das ist zu deutschen Löhnen nicht machbar." - hört man nicht selten aus der Bekleidungsindustrie. Die heutzutage klassische Form der Arbeitsteilung lautet: den kreativen und kaufmännischen Teil der Arbeit in Deutschland, Herstellung in der Türkei, Bangladesch,Thailand,China, Indien oder auf den Philippinen. Trotzdem ist Deutschland formal immer noch der viertgrößte Bekleidungsexporteur der Welt ist. Nur produzieren diese Konzerne heute woanders. Die Liberalisierung des Welthandels in Verbindung mit den hohen Lohnkosten traf die einstmals große, deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie schwer. Aus dem Gesamtverband der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrieist ist zu hören: "Der Wettbewerb zwang die Firmen der Branche zu einer Verlagerung von Jobs mit geringer Wertschöpfung." In der Realität heißt das: Seit den 80er Jahren, Verlust von ca. einer halben Million Arbeitsplätze in diesem Bereich. Nur geschätzte 5 Prozent der getragenen Kleidung auf Deutschlands Straßen werden auch im Inland hergestellt. Dabei bietet innerdeutsche Produktion auch weitreichende Vorteile: Die räumliche Nähe ermöglicht schnelle Entscheidungen, verkürzt die Lieferwege und ermöglicht es den Produzenten, bei Problemen auch mal persönlich vorbeizuschauen. Das große Manko sind die Lohnkosten.

Ein gängiger Produktionsablauf gestaltet sich heute so: Bevor ein T-Shirt
in Deutschland über die Ladentheke geht, hat es meist eine Reise von bis zu 18.000 Kilometern hinter sich und ist durch viele Hände gewandert. So wird zum Beispiel Baumwolle aus Indien in China gewebt, auf den Philippinen gefärbt und in Bangladesch oder Thailand zu einem Kleidungsstück genäht, welches dann in Osteuropa mit Preisschildern und Labeln versehen wird. Die Arbeitsbedingungen, unter denen unsere Kleidung hergestellt wird, sind häufig durch niedrige Löhne, fehlende Arbeits- und Gesundheitsstandards und 16-Stunden-Tage gekennzeichnet. Auch Kinderarbeit ist leider keine Seltenheit.

Probleme und Anforderungen, speziell bei Kinderkleidung...

Als werdende Eltern ist man meist völlig "erschlagen" von einem "riesen Berg" an Kinderkleidern. Die Entscheidung: Teure Designerkleidung oder, aufgrund der durchschnittlich eher kurzen Tragezeit, doch lieber günstigere Massenware? Biologisch und nachhaltig oder reicht nicht doch konventionell? Praktisch soll die Garderobe für den Nachwuchs auf jeden Fall sein und natürlich nicht mit Schadstoffen belastet.

Die Realität ist: Auch Kleidung für die Kleinen wird in Ländern wie China, Vietnam, Bangladesch oder Kolumbien genäht. Fakt ist auch, dass die Rahmenbedingungen weder bei der Gewinnung der Baumwolle noch in den Nähereien besser sind, als bei vergleichbarer Kleidung für Erwachsene. Betroffen ist teure Markenkleidung ebenso wie die Massenware - wobei man sich bei einem Stück vom Discounter zum Preis von vielleicht 2-3 Euro schon recht sicher sein kann, dass es sich hier nicht um ökologisch sinnvolle und nachhaltige Produktion handelt.

Also doch Biobaumwolle, und zwar fair? Die Kinder nur bio und fair kleiden? Ja, das bleibt schwierig. Die Fasern aus Biobaumwolle werden ohne Agrargifte produziert und die Faser naturbelassen oder umweltfreundliche gefärbt. Oft ist jedoch bei fairen Labels nur die Baumwolle zertifiziert, da eine Zertifizierung der gesamten Kollektion für kleinere Labels nicht finanzierbar ist. Und so bleibt für die letztendliche Beurteilung der in Frage kommenden Marken nur "eigene", manchmal tiefgründige Recherche, denn nicht überall, wo fair oder bio draufsteht ist dies auch drin. Hier kann möglicherweise nur der Gesetzgeber helfen: Der Bundesverband der Verbraucherzentrale fordert eine gesetzliche Informationspflicht von Unternehmen zu den Umwelt- und Sozialstandards ihrer Produkte. Die Politik muss dafür sorgen, dass Etikettenschwindel erheblichen Ausmaßes ein Ende hat, forderte der Vorstand. Dafür ist ein entsprechender Auskunftsanspruch im Verbraucherinformationsgesetz zu verankern. Darüber hinaus fordert der Verband verbindliche Standards für Baumwolle, insbesondere Bio-Baumwolle, welche regelmäßig von unabhängiger Seite kontrolliert werden sollen. Abschließend zu erwähnen ist, dass nicht nur die Produktion der eigentlichen Baumwolle der Beurteilung und Kontrolle unterliegen sollte, sondern auch die sozialen Aspekte des fairen Handels, damit zum Beispiel garantiert ist, dass Menschen, die die textilen Waren produzieren, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und eine Existenz-sichernde Bezahlung bekommen.

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