Obdachloser Max Bryan: «Musik war meine erste Liebe»

- Brief eines wohnungslosen Take That-Fans -

Sie sind die erfolgreichste britische Pop-Band nach den Beatles und sie sind zurück in Originalbesetzung. Nach mehr als 15 Jahren sind Gary Barlow, Mark Owen, Jason Orange, Howard Donald und Robbie Williams wiedervereint und feiern ihr großartiges Comeback mit einer bombastischen Bühnenshow für Fans rund um den Globus.

(ddp-tp) Heute Abend gastieren die Fab-Five auch in Hamburg und die dortige Imtech-Arena (45.000 Zuschauer) ist komplett ausverkauft. Der Altersdurchschnitt der Kartenkäufer dürfte bei Anfang 30 liegen und aus den Fans von damals sind längst erwachsene Mütter und erfolgreiche Väter geworden. Menschen mit Familie, Beruf und Karriere. Ausnahmen sind selten, aber auch die gibt es. Der in Hamburg gestrandete Wissenschaftsautor Max Bryan zum Beispiel.

Fast zeitgleich begann Bryan seine Schreib-„Odyssee“, damals, als Take That sich gerade getrennt hatten und auch bei Max drehte sich damals alles nur darum, eine Boygroup zu gründen, eben wie seine Vorbilder von Take That. Für dieses Ziel hatte Max sogar studiert, an einer Uni in der Nähe von Bremen, hatte er sich zwei Jahre lang als Gasthörer eingetragen. Dort lernte er dann viel über Musiktheorie, Harmonielehre und nahm auch Klavierunterricht. Sein Selbststudium lief so gut, dass er schon nach kurzer Zeit eigene Songs schrieb. Mehr als 130 Stück sollen es inzwischen sein, die der Autor und Songwriter parallel zu seiner Schreibarbeit komponierte. Aufgenommen hat er die Songs mit einem kleinem Diktiergerät und Mitte der 90er - noch vor seiner Schreibarbeit - gab es deswegen auch ein Treffen, mit einem berühmten Platten-Produzenten (damals noch HANSA BMG /Andy Seleneit). Max war auf den besten Weg eine Boygroup gründen, ganz wie seine Vorbilder von Take That.

Bryan´s erste CD wurde in Holland produziert, kam aber nie auf den Markt. Danach fing er an zu schreiben. Es folgten 15 Jahre Einsamkeit, ein Leben in totaler Isolation. Nur alle 12 Tage verließ Bryan das Haus,“zum Einkaufen“, wie er selbst sagt. Er glaubte dieses Leben führen zu müssen, um schneller das gesteckte Ziel zu erreichen - die wissenschaftliche Arbeit zu vollenden und endlich wieder Musik machen zu können - „und der Wille war nicht frei“, sagt er. (Bryan ist Autor und schreibt über Metaphysik, Themenportal hatte berichtet).

Im März 2010 verlor er dann seine Wohnung. Der Vermieter wollte das Haus verkaufen und Max musste raus (Eigenbedarf des Vermieters). Nun sitzt er auf der Straße und wie der Zufall es will, erinnert ein Plakat an den Landungsbrücken den heute 35-Jährigen an die Zeit von damals und die Träume, aus denen nichts wurde.

Ein Plakat zeigt 5 Gesichter. Gary Barlow, Mark Owen, Robbie Williams, Jason Orange und Howard Donald. Es waren die Helden seiner Zeit und Max sieht Robbie´s graue Haare und das eigene Haar, schneeweiß, im Spiegel der Vitrine, gleich neben dem Plakat. Ein Moment der Stille und auch der Tränen, denn aus den Träumen von damals ist nichts geworden. Nur ein gebrochener Mann, so jung und doch so alt.

Monatelang lebte Max in großer Angst. Die Zeit der Isolation und des Alleinseins haben ihn krank gemacht und 16 Monaten Leben auf der Straße ließen ihn altern, schneller als in 15 Jahren zuvor.

Übrigens: Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Obdachlosen in Hamburg beträgt 45 Jahre (Quelle: Malteser). Mehr als 1000 Obdachlose leben auf Hamburgs Straßen und es gibt mehr als 1000 leerstehende Wohnungen (www.leerstandsmelder.de) Abschreibungen lohnen sich mehr als Wohnungen zu vermieten (www.tu-was-dagegen.de).

Es ist auch ein Politikum, dass Menschen mit Behinderung nur wenig oder gar keinen Zugang zur Kultur erleben. Menschen, die in Armut leben, haben große Sehnsucht nach Teilnahme und kulturellem Erleben und es wäre ein Novum, ein echtes Zeichen für Parität und Gleichberechtigung gewesen, wenn Take That auf ihrer Deutschland-Tournee einen Obdachlosen von der Straße geholt hätten, um ihn seinen größten Wunsch zu erfüllen: Nur einmal mit dabei zu sein, wenn Take That live auf der Bühne stehen, fast hätte das auch geklappt.

In enger Zusammenarbeit mit der Plattenfirma Universal Music wurde tagelang versucht, Max irgendwie auf dieses Konzert in Hamburg zu bekommen, sogar ein Meet & Greet war im Gespräch (Max sollte Take That persönlich treffen) aber der Vorlauf reichte einfach nicht aus. Die Pop-Gruppe sei nur sehr kurz in Hamburg und alle Termine waren „bereits vergeben“, hieß es von offizieller Seite.

Gern hätten wir Max auch eine Eintrittskarte spendiert, aber die war gar nicht das Problem.

Max hat Hypochondrie (Pathophobie), eine gesteigerte Angst vor Ansteckung und Nähe zu anderen Menschen. U-Bahnfahren oder der tägliche Gang zur öffentlichen Toilette wirken für ihn wie Folter, genau wie der Besuch eines Schwimmbads oder eines Musikkonzerts, wo Menschen in der Regel auch dicht aneinander stehen oder eng nebeneinander sitzen, für ihn ein einziger Albtraum.

Max lebt seit 16 Monaten ohne Wohnung und schläft im Hamburger Hafen auf einer nur 50cm breiten Sitzgelegenheit unter dem Vordach eines Fischrestaurants. Der einzige Ort, an dem er sich „halbwegs sicher fühlt“, sagt er. Zwar berichtet er auch über erstaunliche Fortschritte und auch über „Selbstrettung“, aber die hatten nichts mit dieser Angst zu tun, und das Ausmaß seiner übrigen Ängste sei „komplex“.

Erst kürzlich hatte er sich befreit, von einer seiner größten Geiseln, ein inneres Ich, dass ihn jahrelang quälte und von dem er sich nun endlich hat lösen können.

„Meine Probleme begannen erst mit dem Verlust der Wohnung, erst da merkte ich, dass ich ein gewaltiges Problem habe“, schreibt Bryan in seinem Internet-Tagebuch. Erst da brach offen hervor, was jahrelang im verborgenen lag und das waren nicht nur die Ängste, die ihn heute an die Straße binden. Auch der Zwiespalt, der ihn jahrelang quälte, forderte seinen Tribut. Auf der einen Seite „Max“, der unbedingt singen wollte und auf der anderen Seite „Bryan“, der Autor, der eine gewaltige Aufgabe hatte und diese nicht vollenden konnte. „Der Eine der singen w-o-l-l-t-e und nicht d-u-r-f-t-e, weil der Andere schreiben m-u-s-s-t-e, das war stets ein innerer Kampf, nicht tun zu dürfen, was ich eigentlich tun will“, schreibt Bryan in seiner aktuellen Notiz „The Early Years“.

http://www.facebook.com/pages/Max-Bryan/161102710574227?v=wall&filter=1#

„Musik war meine erste Liebe“, so heißt auch der Titel seines Fotoalbums, das diesen Zwiespalt bebildert. „Eine Parallelwelt und die Welt des 'Anderen', der immer da war und der nichts mit Wissenschaft zu tun hatte, der immer nur die Musik liebte“, heißt es in seinem Blog bei Facebook.com.

Heute Abend will Max sich dann wenigstens vor die Halle stellen, in der Hoffnung ein bisschen von der Musik zu hören, die über die Stadion-Mauern hinweg tönt. Laut Veranstalter sei das möglich, zwar nicht besonders gut, aber immerhin und für Max wäre es ganz wundervoll, wenn er nur ein bisschen von dem Konzert mitbekäme und sei es eben durch die Mauern des Stadions hindurch.

Eine traurige Geschichte und es ist der harte Kontrast im Querschnitt zweier Leben, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der einen Seite der grandiose Erfolg von Take That, Menschen die alles erreicht haben und auf der anderen Seite der wohnungslose Max Bryan, der genauso alt ist, diesen Traum immer hatte und heute gar nichts mehr hat.

Wünschen wir ihm die Kraft, die er braucht, um auch diese letzte Krise zu überwinden.

Oft sind es die kleinen Dinge und die Werte des Glücks, die uns Menschen davor bewahren, nicht aufzugeben.

Beverly Hoffmann / ddp-Themenportal

http://www.themenportal.de/entertainment/max-bryan-musik-war-meine-erste...

Im Anhang dieses Berichts finden Sie den ungekürzten Brief von Max Bryan, wie er uns vor Tagen erreichte. Max hat der Veröffentlichung gestern zugestimmt. Es wird helfen, seine Geschichte vorurteilsfrei zu begreifen.

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http://www.maxbryan.com

Brief von Max Bryan an Take That (original und ungekürzt):
http://www.themenportal.de/dokumente/brief-von-max-bryan-an-take-that-or...


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