Horst Köhlers Rücktritt

Blut für Öl – nur eine Lüge?

Horst Köhler wollte mit seinem Kurzbesuch in Afghanistan den von ihm als „gerecht und legitim“ empfundenen Bundeswehreinsatz in Afghanistan unterstützen – nun ist er zurückgetreten. Unerwartet heftig war die Kritik an dem ausgefallen, was er auf dem Rückflug von Afghanistan dem Deutschlandradio gesagt hatte:

„Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen, negativ, durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.“

Was Köhler da äußerte, ist leider schon lange deutsche Militärdoktrin. Nur im Zusammenhang mit der „kriegerischen Auseinandersetzung“ in Afghanistan, auf die sich die Frage des Deutschlandradio-Reporters bezog, hätte er es nicht sagen dürfen. Denn dort verfolgt die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF unter Führung der NATO offiziell das Ziel,

„Afghanistan bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit so zu unterstützen, dass sowohl die afghanischen Staatsorgane als auch das Personal der Vereinten Nationen und anderes internationales Zivilpersonal, insbesondere solches, das dem Wiederaufbau und humanitären Aufgaben nachgeht, in einem sicheren Umfeld arbeiten können.“

Mit dieser Zielsetzung hat der Bundestag am 26. Februar 2010 mit 429 zu 111 Stimmen die weitere Beteiligung der Bundeswehr an dem Einsatz in Afghanistan abgesegnet.

Längst ist es kein Geheimnis mehr, dass die Bundeswehr im Rahmen der NATO für Wirtschaftsinteressen – es fragt sich nur: wessen? – eingesetzt wird. So heißt es im aktuellen „Weißbuch der Bundeswehr“ aus dem Jahr 2006 unter „Grundlagen deutscher Sicherheitspolitik“, von allerlei schmückendem Beiwerk umgeben:

„Deutschland, dessen wirtschaftlicher Wohlstand vom Zugang zu Rohstoffen, Waren und Ideen abhängt, hat ein elementares Interesse (…) an einem offenen Welthandelssystem und freien Transportwegen.“

Deutschland sei „in hohem Maße von einer gesicherten Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen in globalem Maßstab“ abhängig. „Störungen der Rohstoff- und Warenströme“ blieben nicht ohne Auswirkungen auf Wirtschaft und Wohlstand in Deutschland.

In Peter Strucks Einleitung zu den „Verteidigungspolitischen Richtlinien für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung“ von 2003 steht zu lesen:

„Unsere Sicherheit wird in Deutschland, in Europa, aber auch immer mehr an anderen Stellen dieser Erde verteidigt.“

Richtlinie Nummer 27 lautet:

„Die deutsche Wirtschaft ist aufgrund ihres hohen Außenhandelsvolumens und der damit verbundenen besonderen Abhängigkeit von empfindlichen Transportwegen und -mitteln zusätzlich verwundbar.“
Aber schon die „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ von Verteidigungsminister Volker Rühe definierten 1992 die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“ als eines der „vitalen Sicherheitsinteressen“

Das klingt nach lehrbuchmäßigem Imperialismus, zu dessen Wesensmerkmalen der Kampf um Einflusssphären, Rohstoffe und Absatzmärkte gehört.

Ist also Deutschland ein imperialistischer Staat? Nein, denn es betreibt keinen eigenen Imperialismus, sondern ist seinerseits integriert in das System des US-Imperiums. Deutsche Handels- und Rohstoffinteressen wären weitaus besser gesichert, würde die Bundeswehr aus allen Abenteuern herausgehalten.

Beispiel: Aufgrund der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA stellte die NATO erstmals in ihrer Geschichte den Bündnisfall fest. Auf dieser Grundlage nimmt die Bundeswehr bis heute an der NATO-Operation „Active Endeavour“ teil. Sie findet ausdrücklich „zum Schutz alliierter Handelsschiffe vor terroristischen Angriffen im Mittelmeer“ (so das Weißbuch der Bundeswehr) statt. Größte Sicherheit für deutsche Schiffe aber bedeutete es, wenn die schwarz-rot-goldene Flagge signalisierte, dass sie mit dem Treiben der NATO nichts zu tun haben.

Man fühlt sich um hundert Jahre zurückversetzt – in die Zeit, als der „Wettlauf um Afrika“ seinem Höhepunkt zustrebte. Die im Ersten Weltkrieg entstandene, mit den Worten „Der Neutrale“ überschriebene Karikatur von Thomas Theodor Heine aus dem „Simplicissimus“ besagt dazu eigentlich alles: Zwei ineinander verbissene Hunde kämpfen – ein dritter frisst derweil Würstchen. Diese Rolle würde uns nach zwei Weltkriegen gut anstehen.

GFj


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