Das Christentum als Feindbild?

Zum CDU-„Experiment“ Aygül Özkan

Im Kern sei Europa auch heute noch „eine Werte- und Kulturgemeinschaft, für die Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Toleranz und Menschenrechte unstrittig sind und deren Entwicklung seit 2000 Jahren durch das Christentum geprägt ist“, stellt der ehemalige Vize-Präsident des Europäischen Parlaments, Dr. Ingo Friedrich, fest. Mit ihrer Forderung nach einem Kruzifix-Verbot an staatlichen Schulen hat die türkischstämmige CDU-Politikerin Aygül Özkan noch vor ihrem Amtsantritt als neue niedersächsische Sozial- und Integrationsministerin eine Abkehr von diesem Werteverständnis propagiert.

Entspricht der Vorstoß der Muslimin dem, was Niedersachsens CDU-Ministerpräsident Christian Wulff unter „neuem Schwung“ in seiner Landesregierung versteht? Er hatte einen „Neustart“ seines Kabinetts angekündigt. Der „Überraschungscoup“ mit Özkan, unmittelbar vor der Landtagswahl in Nordrhein- Westfalen, solle der „Integrationspolitik stärkeres Gewicht“ verschaffen und seine Partei deutlicher für jene Wähler mit „Migrationshintergrund“ öffnen, die sich bislang der SPD und darüber hinaus linken Kreisen zugewendet haben. „Ich bin mir bewusst, dass ich eine Vorbildrolle spiele“, erklärte die Türkischstämmige entsprechend und betonte zugleich, sie wolle sich keinesfalls mit einer Rolle als „Quoten-Migrantin“ begnügen.

VORBILD FÜR ANDERE PARTEIEN?

Auch die Türkische Gemeinde in der Bundesrepublik Deutschland sieht in der Ernennung einer Nicht-Christin zur Ministerin der Christlich Demokratischen Union „ein Vorbild für andere Parteien“. Es sei bemerkenswert, dass gerade die CDU „diesen wichtigen Schritt“ mache und ein Signal im Sinne der „multikulturellen Gesellschaft“ setze. Andere Parteien sollten folgen, teilte der Bundesvorsitzende Kenan Kolat mit. Es sei ein „gutes Gefühl, dass eine Türkin auf Regierungsebene anzutreffen ist“, heißt es. Und angesichts des Widerspruchs, den Özkans Forderung in der deutschen Öffentlichkeit ausgelöst hat, wird empfohlen, sie sollte sich „gar nicht auf Diskussionen einlassen“, sondern als neue Ministerin „nur für die Rechte der Ausländer“ eintreten und vor allem auch an der Forderung nach einem EU-Beitritt der Türkei festhalten.

Aygül Özkan startete in der Merkel-CDU eine Blitzkarriere. Geboren wurde sie 1971 in Hamburg. Ihre Eltern wanderten in den 1960er-Jahren aus der Türkei in Norddeutschland ein. Nach dem Jura-Studium (Schwerpunkt Europa- und Wirtschaftsrecht) wurde sie Anwältin. 2004 trat die Muslimin in die C-Partei ein, ohne zum Christentum zu konvertieren. Schon vier Jahre später wurde sie stellvertretende Vorsitzende der Hamburger CDU, zog wenige Wochen darauf über die Landesliste in die Bürgerschaft (Landesparlament) ein. Ein Hauptanliegen der ersten türkischstämmigen Ministerin Deutschlands lautete stets: „Türken, bringt euch mehr ein!“

Nach dem dreisten Vorstoß entschuldigte sich Özkan offiziell für ihre Auslassungen. Sie habe „ohne ausreichende Kenntnisse öffentlicher Schulen in Niedersachsen“ Stellung bezogen, wiederholte die neue Sozial- und Integrationsministerin nach ihrer Vereidigung im Landtag. Verbreitet hatte sie zuvor auch, „Drohungen von Neonazis und radikalen Islamisten“ erhalten zu haben. Da habe sie „eben die unbedachten Äußerungen zu den Kreuzen“ gemacht. „Frau Özkan wird eine grandiose Ministerin sein“, trug der Ministerpräsident anschließend bei der Bundeskonferenz der Integrations- und Ausländerbeauftragten vor. Die Debatte um Özkan habe „Gefühle wie Ängste und Feindseligkeiten“ ausgelöst. Auf die Ängste müsse eingegangen werden. „Aber für Feindseligkeiten gibt es keinen Platz in unserem Land“, so Wulff. Spätestens in zwei Jahrzehnten werde sich ohnehin „niemand mehr über die Berufung einer Ministerin mit Migrationshintergrund wundern“.

BLINDHEIT POLITISCHER ENTSCHEIDUNGSTRÄGER

Die Frage, wie weit sich die CDU inzwischen von christlichen „Werteverständnissen“ entfernt hat, stellt sich jedenfalls. Und: Soll Religionsfreiheit in Deutschland etwa bedeuten, dass alle öffentlichen Räume im nach wie vor christlich geprägten Abendland frei von christlichen Symbolen zu sein haben? Zudem: Wahrend politische Entscheidungsträger hierzulande die Abschaffung der Kruzifixe an öffentlichen Schulen verlangen, gibt es beispielsweise keinen Widerstand gegen Entscheidungen der Türkei, in ihrem Land christliche Kirchen in Moscheen umzuwandeln.

Die „Süddeutsche Zeitung“ bemerkt: „Kruzifixe im öffentlichen Raum werden zunehmend in Frage gestellt. Im Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1995 wurde Bayern gerügt, das in Schulen zwingend Kreuze vorschrieb. Das Urteil blieb aber weitgehend folgenlos, das Kreuz ist in Bayern weiter der Regelfall. In Niedersachsen, wo die … Sozialministerin Aygül Özkan für ein Kruzifix-Verbot eintritt, wird es an Schulen im Sinne einer Erziehung auf Grundlage christlicher Werte begrüßt.“

Özkan hatte mit ihrem Vorstoß auch die „Kopftuch-Frage“ verbunden. Dazu schreibt Wolfgang Baake, Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz, eine Gleichsetzung von Kopftüchern und dem Kreuz sei nicht akzeptabel. Die Äußerung der muslimischen Ministerin mache deutlich, dass diese „weder in der abendländischen Kultur angekommen ist, noch sich im Bereich des Islam richtig auskennt“. Das Kreuz stehe in unserer Kultur „für unser Fundament und unsere Identität, für unsere Werte und die Vergebung unserer Schuld“. Das Kopftuch sei dagegen im Islam ein „politisches Zeichen“.

„FRUCHTBARE SYNTHESE“

„Es war die fruchtbare Synthese des christlichen Glaubens mit dem griechischen Demokratieverständnis und dem römischen Rechtsdenken, die zur Schaffung der heutigen europäischen Rechts- und Sozialstaatlichkeit geführt hat“, betont der eingangs zitierte Dr. Ingo Friedrich. Viele großartige Leistungen, die insbesondere die deutsche Kulturnation auszeichnen, im Bereich der Musik, der Geisteswissenschaften, der Kunst, der Architektur und auch der Literatur sind auf eine christlich geprägte Geisteshaltung zurückzuführen. Nicht nur an den Beispielen Johann Sebastian Bach oder Johann Wolfgang Goethe wird das deutlich. Friedrich: „Das Christentum bildet … zweifelsohne das geistige Fundament auch der heutigen Gesellschaft und Zivilisation in Europa.“

Hans Weidenbach


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