Was bleibt vom Rechtsstaat?

Die Mai-Krawalle in Berlin und Hamburg haben den Rechtsstaat in den beiden größten Städten der Bundesrepublik, wenn auch nur für kurze Zeit, minimiert. Innensenator Ehrhart Körting und Polizeipräsident Dieter Glietsch sehen es als Fortschritt gegenüber früheren Jahren an, dass in Berlin weniger als 100 – nämlich 96 – Polizisten verletzt wurden, davon einer schwer. In Hamburg trugen gar „nur“ 30 Polizisten und ein Feuerwehrmann Verletzungen davon. Linke Gewalttäter konzentrierten sich in der Hansestadt auf die Verwüstung von Banken, die Plünderung von Läden und die Zerstörung von Autos. Brände wurden in beiden Städten gelegt.

Medien feiern mit offenkundiger Begeisterung, dass rechte Demonstranten in Berlin ihre Umzüge nicht durchführen konnten. Der „Tagesspiegel“ vom Sonntag, 2. Mai: „10.000 Gegendemonstranten verhindern in Prenzlauer Berg den Aufmarsch von 500 Rechten“.

Nun gilt in der Bundesrepublik seit Mai 1949 das Grundgesetz mit einem gleichen Recht für alle und insbesondere Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die Verfassung wurde seither zwar mehrfach zum Schlechteren verändert (man denke nur an die Aufweichung des Auslieferungsverbots in Art. 16 Abs. 2 GG vor zehn Jahren), Rechtsbrüche wurden aber immer wieder von der Justiz gestoppt. So werden speziell auch in Berlin missliebige Demonstrationen nicht selten rechtswidrig verboten, jedoch durch die zuständigen Gerichte wie auch diesmal zugelassen.
Gewiss beurteilen manch tonangebende Politiker die Bürger- und Menschenrechte speziell Andersdenkender nicht so, wie dies den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat hütende oberste Richter tun. Aber wer soll im Rechtsstaat entscheiden? Das Bundesverfassungsgericht oder etwa der stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der sich an den Sitzblockaden beteiligte und den Stolz über seinen Rechtsbruch nicht verhehlen konnte? Erfreulicherweise ist Thierse damit auf einigen Widerspruch gestoßen – im Bundestag und auch bei seinem Parteifreund Körting, der Thierse vergeblich, aber immerhin eine Rechtsbelehrung erteilte.

Es kommt nicht darauf an, wer das Recht auf Grundfreiheiten in Anspruch nimmt. Wichtig ist nur, dass jeder Bürger das ungeteilte Recht genießen darf. Jene, die sich dagegen stellen, sollten bedenken, dass der Abbau der freiheitlichen Ordnung früher oder später allen schadet, auch den Rechtsbrechern selbst.

Dr. Gerhard Frey


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