Leinen los und los! Rhein-Marne-Kanal

Ein Reisebericht.. Auf dem Canal de la Marne au Rhin vom Saarkanal nach Nancy.

Von Doris Sutter. Oje, wird mancher seufzen, schon wieder die Sauerkrauttour. Ja, der Rhein-Marne-Kanal ist Teil der so genannten "Sauerkrauttour", die viele abenteuermutige deutsche Skipper schon mal befahren haben.

Ursprünglich wurde der Kanal von Vitry-les-Francois bis Straßburg gebaut um die Flüsse Saône, Marne, Maas, Mosel und Saar mit dem Rhein zu verbinden. Als er endlich fertig war, hatte ihm die Eisenbahn bereits den Rang abgelaufen. Lange kein Grund für die Franzosen zu jammern. Sie bauten ihn einfach zu einer Touristen-Attraktion aus.

Goethe sagte einmal, als er in Lothringen war: „..wir betraten bei schlimmstem Wetter ein Land, dessen undankbarer Kalkboden nur kümmerlich ausgestreute Ortschaften ernähren konnte...“

Nun, an dem vielen Regen in Lothringen sind wohl eher die Ardennen schuld, an denen sich die Wolken gerne abregnen, aber für die Entwicklung der Region und der kleinen Orte war der Kanal ein Segen. Und an seinem Ende fließt er durchs Elsass und das profitiert von der Nähe zur Rheinebene und ihrem mildem Klima.

Wir biegen ab nach steuerbord, Richtung Nancy.

Die Kanalstrecke von Nancy bis Strassburg vereint wie in einer Symbiose all das, was man sich als Wasserwanderer für eine spannende Kanalfahrt wünscht. Dichtbewaldete Ufer, sympathische kleine Ortschaften, Schleusen, die man selber mit einer Fernbedienung bedienen kann. Große Seen zum Baden. Das zauberhafte Tal des Zorn mit dem Schiffshebewerk, dem Schrägaufzug von Arzviller als Krönung. Zwei Tunnel und ein ziemlich langes, schleusenfreies Kanalstück auf der Scheitelhaltung. Nicht zu vergessen die Schachtschleuse, in der es 16 m auf- oder abwärts geht, je nach dem von welcher Seite man kommt.

Die meisten Anlieger am Kanal, ob Lothringer oder Elsässer sprechen deutsch oder englisch und man kann sich gut verständigen. Die Küche ist deftig. Unbedingt muss man die Mirabellenmarmelade in Nancy oder im Elsass einen Bäkkeoffen probieren. Man darf sich aber nicht wundern, wenn die ansässigen Restaurants die Sitte der Franzosen übernommen haben, aus Salat, Fleisch und Kartoffeln ein Drei-Gänge-Menü zu machen.

Einige Chartergesellschaften haben sich am Kanal angesiedelt, wohl mit ein Grund, warum der Kanal in einem hervorragenden Zustand ist. Es gibt wenige Kanäle in Frankreich, die ähnlich gepflegt sind und sich mit dem Marne-Kanal bezüglich gemähten Ufern und gespundeten Rändern messen können. Für mich hat er Ähnlichkeit mit einer glatten Schnellstraße, während viele andere Kanäle in Frankreich den Charme der holprigen Dorfstraßen nicht verloren haben. Für Anfänger oder Charterer ist er das ideale Revier. Man muss ihn wenigstens einmal selbst "erfahren" haben.
Mir jagt die geballte Ladung Unwissenheit und Unbedarftheit vieler Nutzer immer gehörigen Respekt ein.

Die richtig dicken Highlights des Kanals befinden sich zwischen Straßburg und der Abzweigung des Saarkanals. Die Tunnel und das Schiffshebewerk, Plan incliné de St-Louis-Arzviller, das eine Schleusentreppe von 17 Schleusen ersetzt. Das Hebewerk überbrückt einen Höhenunterschied von ca. 44,5 m und ersparte den Penichen einen vollen Arbeitstag. Saverne und Lützelburg sind sehenswerte Städtchen im Tal des Zorn, in dem außer dem Kanal auch die Eisenbahn Straßburg- Paris zu Hause ist.

Unser Weg führte uns allerdings vom Saarkanal nach steuerbord, Richtung Nancy. Auf den ersten Blick scheint die Strecke nicht viel zu bieten. Doch das stimmt nicht. Da sind zum Beispiel die Speicherseen Ètang de Gondrexange und le petit Ètang, beide mit Badestrand. 4 Kilometer weiter passiert man die offen stehende ehemalige Schleuse 1. Sie führt zur Schachtschleuse Réchicourt. Diese ersetzt die ehemalige Schleusentreppe 2-6. 16 Meter geht es mit Schwimmpollern durch den Berg. Eine echte Attraktion. Deshalb werden derzeit auch noch zusätzliche Plattformen für Picknicktische betoniert.

Der Blick ins Tal ist eine Pause wert.

Die Schleuse öffnet sich in einen kleinen Stausee, dessen Durchfahrt betonnt ist. Im Port-Ste-Marie gibt es ein Restaurant direkt am Kai. In Parroy findet man ein ausgedehntes Waldgebiet mit Rad- und Wanderwegen und einen Badesee, den Ètang de Parroy.

Zwischen den Schleusen 15 und 18 wird derzeit ein neues System der Schleusenfernbedienung ausprobiert. Man erhält ein elektronisches Gerät, das sehr informativ mit dem Benutzer kommuniziert.

"Sie nähern sich der Schleuse."
"Schleusenvorgang wird bearbeitet."
"Achten sie auf Ihre Taue."
"Ausfahrt ist freigegeben."

Was waren das für Zeiten, als man noch einen Drücker mit einem einzigen Knopf hatte.

Dombasle-sur-Meurthe kommt in Sicht.

In Dombasle-sur-Meurthe erreicht man eines der ältesten und größten Zentren der Salzindustrie in Westeuropa. Der Konzern Solvay hat sich hier angesiedelt, die wichtigste Soda-Fabrik Frankreichs. Es herrscht lebhafter Schiffsverkehr. Das Industriegebiet zieht sich bis Varangéville.
Ein Kai bietet Liegeplätze für einen Besuch der wuchtigen Kirche aus dem 15.Jahrhundert

Ein paar Schritte weiter erreicht man Saint-Nicolas-de-Port. Der Besuch der Basilika St-Nicolas ist ein Muss für Wassersportler, denn er ist ja nicht nur der Nikolaus der Vorweihnachtszeit, sondern auch der Schutzpatron von Russland, Griechenland, Amsterdam, New-York, Lothringen und der Schiffer... Die Kirche ist ein Denkmal für ihn. Er soll in Frankreich drei kleine Kinder wieder zum Leben erweckt haben, die ein Metzger getötet, zerstückelt und eingepökelt hatte.
Unterhalb der Basilika, gleich hinter der Brücke über die Meurthe ist ein Norma-Markt, eine gute Gelegenheit für (pfandfreies) deutsches Bier, wenn man schon mal da ist.

Es gibt gemütlichere Liegeplätze als in Laneuville.

Zum Übernachten empfiehlt es sich allerdings noch 5 Kilometer weiter zu fahren und einen Liegeplatz im Unterwasser der Schleuse 24 zu nehmen. Vor und nach Schleuse 26 sind zwei große Supermärkte direkt am Ufer. Wir überqueren noch einmal die Meurthe.

Und dann Nancy! Ideale Liegemöglichkeiten in einem großen Becken, Bassin St-Georges, nur einige hundert Meter vom Zentrum entfernt. Das andere Becken ist von Dauerliegern belagert.

Stanislaus Leszscynski, der entthronte polnische König und Schwiegervater von Ludwig XV. setzte sich mit Nancy ein Denkmal, obwohl es ursprünglich als Huldigung für den mächtigen und spendablen Schwiegersohn gedacht war. Er holte die fähigsten Künstler an seinen Hof und die Stadt erhielt ihren schönsten Schmuck, den Place Royal, heute Place Stanislas, mit Pavillons, Brunnen und vergoldeten Gittern. Im Anschluss an den Platz ließ Stanislaus einen Park anlegen, La Pépinière, sehenswert mit einem Rosengarten, wunderschönen Blumenbeeten, einem kleinen Zoo, Karussell, einem Planschspringbrunnen und einem riesigen Kinderspielplatz.

Stanislas Leszcynski, der polnische Exkönig, war der Schwiegersohn von Ludwig XV. König von Frankreich. Der machte ihn 1737 zum herzog von Lothringen. Dafür revanchierte sich der Schwiegervater mit der Anlage eines großen Platzes um den König zu ehren und ihm zu huldigen
Jean Lamour schuf die schmiedeeisernen Gitter, die reich mit vergoldeten Rocaille- Ornamenten verziert sind.

Man sollte sich aber auch die anderen Sehenswürdigkeiten nicht entgehen lassen, das Palais Ducal, die vielen Kirchen, den botanischen Garten, das Aquarium, die Schokoladenfabrik, die Cathédrale und das Museum der Ecole de Nancy , der Schule von Nancy. Eine bemerkenswerte Sammlung von Exponaten der französischen Variante des Jugendstils.

Juli und August stehen unter dem Zeichen "Gastronomie en musique". Dann unterhalten in einigen Vierteln der Stadt Freitagabends kleine Ensembles die auf den Terrassen und Restaurants sitzenden Gäste. In der Kathedrale und der Eglise des Cordeliers ( Franziskanerkirche. Sie heißen so, weil sie immer eine Kordel um ihre Kutte gebunden hatten) werden nachmittags und abends kostenlose Konzerte klassischer Musik gegeben.

Ein kurzes Nachwort, das sich nur an Skipper von Charterbooten richtet:

Die roten und blauen Stange in den Schleusen sind weder zum Festbinden der Boote noch zum Festhalten der Bootsbesatzung gedacht, sondern nur um mit einem festen (manchmal sehr festen) Ruck die blaue Stange nach oben zu schieben und damit den Schleusenvorgang zu starten. Die rote Stange darf nur nach unten gezogen werden, wenn Not an Mann oder Schleuse ist.
Und bitte..... schiebt die blaue Stange, sonst könnt ihr schwarz werden bevor sich die Schleusentore schließen. Das erspart dem Personal des VNF unnütze Wege und allen anderen Bootsfahrern endlose Wartezeiten.

Doris Sutter über sich selbst:

Mit meinen beiden Hobbys bin ich voll ausgelastet. Im Sommer sind wir mit Beluga auf Achse. Machen die Wasserstraßen Europas unsicher. Darüber schreibe ich dann jedes Mal einen Reisebericht. Nicht nur eine Kurzversion wie hier, sondern mit allem, was uns so unterwegs passiert. Denn Vieles ist zum Lachen und manches zum Heulen. Das will man doch nicht alles vergessen. So hat sie begonnen, meine Zeit als unruheständlerischer Schreiberling.
Heute "arbeite" ich (was für ein schreckliches Wort für eine so schöne Sache) als Reisekorrespondentin des Magazins "WasserSport". Schreibe Kolumnen für Boots-Magazine und Vereins-Zeitungen.

Mein Buch "Beluga geht durchs Nadelöhr" ist ungebrochen der Bestseller des Verlages. Das Buch ist auch erhältlich unter www.mediamaritim.de/shop (Bücher).

04.04.2010: | | | | |