Deutschland in der Euro-Falle

Hintergründe der Krise der Währungsunion

Konsum setzt Kaufkraft voraus. Genauer gesagt, Massenkaufkraft. Und diese wiederum wird im Wesentlichen von den Arbeitnehmereinkommen bestimmt. Eben diese sind durch den 1999 eingeführten Euro, dessen Bargeldversion wir seit 2001 haben, beschnitten worden. Allerdings nur in Deutschland, denn „während die Löhne in Euroland stiegen, stagnierten die Einkommen in Deutschland nicht nur, sie fielen real sogar leicht“. Diese von unseren Verantwortlichen in der Politik und in den Hauptmedien gerne ignorierte Tatsache hat erst jetzt wieder die Netzausgabe der Schweizer Tageszeitung „Der Bund“ aus Bern konstatiert und dazu noch angemerkt: „Die Deutschen ... sparten bis es quietschte.“ Hauptgrund dafür war, dass die deutsche Exportwirtschaft infolge eines zu hohen Umtauschverhältnisses (knapp zwei DM für einen Euro) ihre Preiswettbewerbsfähigkeit eingebüßt hatte. Diese musste wieder „herbeigespart“ werden.

Die Folgen sind inzwischen unübersehbar. Im Inneren: Große Teile der Bevölkerung sind verarmt mit fatalen Auswirkungen auf die Volksgesundheit (Arme sterben früher) und die Sicherheitslage (Armut fördert Kriminalität). Die Außenwirkungen der deutschen „Sparwut“ („Der Bund“) sind nicht minder gravierend: Deutschland, einst die Konjunkturlokomotive Europas, hat diese Rolle verloren. Sein Sparfleiß hat dem Land zwar zum Titel Exportweltmeister – neuerdings Vizeweltmeister nach China – verholfen, aber auch zu den gegenwärtigen Turbulenzen im Euroraum beigetragen. Denn die anderen EU-Länder, speziell die so genannten PIIGS-Länder (Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien) haben die Schleifung der Kaufkraft ihrer Bevölkerungen nicht mitgemacht. Im Gegenteil. Dafür haben sie aber ihre Preiswettbewerbsfähigkeit im Euro-Raum gegenüber Deutschland eingebüßt. Um diese einigermaßen sozialverträglich wieder herzustellen, bräuchten die PIIGS-Länder jetzt dringend eine Währungsabwertung. Das Euro-Korsett verwehrt ihnen das aber.

GELDPOLITISCHE FEHLER

Schon werden in der Fachwelt Parallelen zu den geldpolitischen Fehlern in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gesehen. Damals waren die bedeutendsten Wirtschaftsmächte in das Korsett des Goldstandards eingezwängt. „Die Wirkung war ähnlich wie das Euro-Korsett heute“, urteilt „Der Bund“ aus Bern. Damals gaben jedoch die Angelsachsen als erste den Goldstandard auf. Mit Erfolg. So wie heute in der EU das britische Pfund außerhalb des Euro-Korsetts flexibel die britische Wirtschaft abfedert.

Warum und wie ist Deutschland in die „Euro-Falle“ geraten? Weil von unseren „angepassten Medien“ (Scholl-Latour) darauf bisher keine klare Antwort gegeben worden ist, dazu nochmals „Der Bund“ aus der neutralen Schweiz: „Euroland ist ein Sieg politischer Macht über ökonomischen Verstand“, stellt dieser lapidar fest. „Schon bei der Entstehung warnten viele Experten, dass die Einheitswährung früher oder später zu massiven Problemen führen werde. Zu eng sei das Korsett für die sehr unterschiedlich strukturierten Volkswirtschaften.“

Unter den Warnern befand sich kein Geringerer als der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman (USA): „Der Euro wird vermutlich die erste Wirtschaftskrise nicht überleben.“ Und: „Die Eurozone wird vielleicht schon nach zehn Jahren auseinanderbrechen“, orakelte der Experte schon damals und lag, wie man jetzt sieht, nicht weit entfernt von der Wirklichkeit. Doch die Warnungen wurden alle in den Wind geschlagen. „Der Bund“ weiter: „Zu den Ignoranten gehörte auch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, ein brillanter Machtpolitiker mit einem kleinen Handicap: Er hatte keine Ahnung von Wirtschaft – und er war sogar noch stolz darauf. Das sollte sich rächen.“

DIE PROBLEMFÄLLE

Von den Problemfällen in der Eurozone, den PIIGS-Ländern, steht aktuell Griechenland deshalb im Fokus, weil das Land im Mai dieses Jahres einen Großteil seiner Staatsschulden refinanzieren, das heißt durch neue aufzunehmende Schulden ablösen muss. Wenn das mangels Bereitschaft der Kapitalmärkte, griechische Staatsschulden anzukaufen, nicht gelingen sollte, wäre das Land bankrott mit unabsehbaren Folgen für den Euro und die ganze EU.

Um das zu verhindern, berichten Medien, dass – ungeachtet der „No-Bail-Out“-Klausel im Maastrichtvertrag – an einer deutsch-französischen Hilfsaktion gearbeitet werde. Dabei sollen die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die staatseigene französische Caisse des Depots griechische Staatsobligationen aufkaufen. Doch weshalb gerade eine deutsch-französische Hilfsaktion? Was Deutschland anbelangt, könnte man meinen, weil es bei Schwierigkeiten in der EU immer gezahlt hat. Aber Frankreich? Medienberichten zufolge haben deutsche und französische Großbanken bereits hohe Milliardenbestände an griechischen Staatsanleihen in ihren Depots. Bei einem Staatsbankrott Griechenlands hätte das bei diesen hohe Abschreibungen (Verluste) zur Folge.

Das gilt es gemeinsam zu verhindern. Mit Hilfe der deutschen und französischen Steuerzahler, versteht sich. Das hat in der Finanzkrise geklappt, warum sollte es in der aktuellen Euro-Krise nicht auch funktionieren? Schließlich hat die Politik über die großen Banken einen Schutzschirm aufgespannt, indem sie diese als „systemrelevant“ eingestuft hat und die man deshalb nicht Pleite gehen lassen dürfe. Wenn man berücksichtigt, dass in letzter Zeit zehnjährige deutsche Staatsanleihen mit etwa drei Prozent und griechische um die sechs Prozent rentierten, erscheint es wirtschaftlich sinnvoll, einen hohen Anteil griechischer Schuldtitel in die Depots zu nehmen. Wenn da bloß nicht das erhöhte Ausfallrisiko wäre.

ZU LASTEN DER STEUERZAHLER

Gelingt es jedoch den Gläubigerbanken griechischer Staatsschulden, auf politischer Ebene dieses Ausfallrisiko auf die Steuerzahler in Deutschland und Frankreich abzuwälzen, haben sich deren Engagements in griechischen anstatt in deutsche und französische Staatsanleihen doppelt so hoch rentiert. Diesem Zweck dürfte auch der kürzliche Besuch des Chefs der Deutschen Bank, Josef Ackermann, in Athen gedient haben. Auch die Einladung von Ackermann ins Kanzleramt zum Abendessen vor einigen Monaten dürfte diesbezüglich „förderlich“ gewesen sein.

So gesehen geht es bei der im Raum stehenden – wenn auch offiziell noch nicht bestätigten – deutsch-französischen Hilfsaktion nicht nur um die Rettung Griechenlands vor einem Staatsbankrott und des Euro, sondern auch um die Rettung einer hohen Rendite für die eigenen Großbanken – zu Lasten der Steuerzahler, wieder einmal. Was für einen Paradigmenwechsel das doch markiert. Über mehrere Jahrhunderte hatten Banken Staaten gestützt. Vor allem durch Kreditgewährungen zur Führung von Kriegen. Die Augsburger Fugger sind nur ein Beispiel dafür. Seit etwa hundert Jahren aber ist es genau umgekehrt: Staaten (Steuerzahler) retten Banken.

Das Risikospiel der Banken mit dem Geld der Steuerzahler könnte aber – bei entsprechendem politischem Willen – unterbunden werden. Als Maxime müsste dabei nur gelten, dass die Aktionäre sowie die Leitungsgremien (Vorstände, Aufsichtsräte) der Banken – im Gegensatz zu heute – alles verlieren, wenn ihre Geschäfte schief gehen. Es ist schließlich ein Riesenunterschied, mit dem eigenen Geld oder mit dem anderer va banque zu spielen.

Gerhard Reiber


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