Ettaler Erfahrungen

Das Internat der Benediktinerabtei Ettal lernte ich schon im Knirpsenalter kennen, als ich meinen älteren Bruder dort besuchte. Er machte 1940 in Ettal sein Abitur. Wenig später wurde das Klostergymnasium von den Nationalsozialisten den Patres entzogen und in eine staatliche „Deutsche Heimschule“ umgewandelt.

1945, als Gymnasium und Internat wieder unter der Ägide der Benediktiner standen, kam ich als Schüler dorthin. Von sexuellen Übergriffen habe ich in Ettal nie etwas mitbekommen. Kein Pater näherte sich mir unsittlich – und auch in meinem Umfeld bemerkte ich nichts dergleichen.

Umso mehr beschäftigte uns und die Patres in den Jahren 1945 und 1946 der schreckliche Hunger. Pater Willibald brachte mir ab und zu ein Schinkenbrot und einmal im Monat war ich am Sonntagnachmittag zu Gast bei der einige hundert Meter entfernt wohnenden Mutter des Paters.

In nicht so guter Erinnerung ist mir der Pater „Ananas“ geblieben, dessen richtiger Name Athanasius lautete. Er hatte die unangenehme Eigenschaft, Schüler, die etwas nicht wussten, mit dem Lineal auf die Knie zu schlagen. Derartige Praktiken dürften freilich auch an weltlichen Schulen unter dem Deckmantel des „gewohnheitsrechtlichen Züchtigungsrechts“ verbreitet gewesen sein, das vom Bayerischen Obersten Landesgericht noch 1979 bestätigt wurde.

Weltanschaulich war die Klosterschule damals tolerant. Besonders gut verstand ich mich mit Pater Pius, der nationalliberal war – was meiner früh herausgebildeten Einstellung entsprach.

Weniger gefiel mir in Ettal, dass wir allzu häufig zu Beichte und Kommunion veranlasst wurden. Welche Sünden konnten wir Klosterschüler in den damaligen Hungerjahren inmitten der Berge schon begehen!

Die gegenwärtige Darstellung in vielen Medien hat jedenfalls mit dem Ettal, das ich erlebte, nichts zu tun. Wie an weltlichen Schulen gewiss auch, hat es dort im Laufe der Jahrzehnte offenbar schlimme Verfehlungen gegeben. Kindesmissbrauch und sadistische Misshandlungen lassen sich nicht relativieren und sind nicht zu entschuldigen. Tatsächliche Straftaten gehören aufgeklärt und, soweit nicht längst verjährt, verfolgt. Doch handelt es sich nach meinem Eindruck um Handlungen einer kleinen Minderheit. Hat nicht selbst Jesus unter seinen zwölf Aposteln einen Judas gehabt?

Und: Zielen Übertreibungen und Verallgemeinerungen der Berichterstattung nicht in Wahrheit auf die Kirche, den Papst und die von ihnen repräsentierten Werte?

Dr. Gerhard Frey


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