Warum Norman Finkelstein in Deutschland nicht reden darf

Professor Verleger: „Verhinderer stellen sich außerhalb jüdischer Tradition“

Der renommierte amerikanische Politikwissenschaftler Norman Finkelstein, Verfasser mehrerer Bücher zu den Themen Zionismus, Nahostkonflikt und Umgang mit dem Holocaust, hatte geplant, vom 24. bis 26. Februar in Berlin und München zu sprechen. Dazu kam es nicht.

Finkelstein, hierzulande vor allem bekannt durch sein im Jahr 2000 erschienenes Buch „Die Holocaust-Industrie“, hatte für seine Vorträge ein aktuelles Thema gewählt:

„1 Jahr nach dem israelischen Überfall auf Gaza – die Verantwortung der deutschen Regierung an der fortgesetzten Aushungerung der palästinensischen Bevölkerung“.

Gerade hat ja die UNO-Vollversammlung eine neue Untersuchung des Gaza-Krieges verlangt. Von den anwesenden Staaten stimmten 98 für den Entwurf, nur sieben – darunter Israel und die USA – dagegen. Und angesichts der anhaltenden Diskussion über Kriegsverbrechen in Gaza und die Unterdrückung der Palästinenser in den von Israel besetzten Gebieten wäre ein Vortrag eines Kenners wie Finkelstein bedeutsam gewesen. Aber natürlich wäre er auch ein Dorn im Auge jener Lobby, die Kritik an Israel grundsätzlich als „Antisemitismus“ verteufelt und damit eine sachliche Auseinandersetzung im Keim erstickt.

JÜDISCHE STIMME FÜR GERECHTEN FRIEDEN

Umso unangenehmer für die Verfechter eines (in Wahrheit gar nicht im israelischen Interesse liegenden) Hau-Drauf-Zionismus ist es natürlich, wenn der Vortragende Sohn von jüdischen Eltern und Holocaust-Überlebenden ist. Dass zu den Veranstaltern der geplanten Vortragsreihe auch noch Vereinigungen wie die 2003 (als deutsche Sektion der Föderation „European Jews for a Just Peace“) gegründete „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ zählten, war dann endgültig zu viel. Zu groß war die Gefahr, dass die einseitige Berichterstattung in Deutschland über den Nahen Osten eine andere Facette hinzugewinnen und ein wenig ausgeglichener werden könnte.

Gegen Finkelstein legte sich die berühmt-berüchtigte Vereinigung „Honestly Concerned“ ins Zeug – ein Propagandanetzwerk, das seinesgleichen sucht. „Honestly Concerned“ (was so viel bedeutet wie „ernsthaft betroffen“, als würde es in Deutschland nur so von Antisemiten und Nationalsozialisten wimmeln) definiert seine Ziele und Aktivitäten folgendermaßen:

„Wir nehmen Einfluss und engagieren uns für eine wahrhaftige Berichterstattung über Israel, Juden und jüdische Themen in den Medien. Wir gehen vor gegen Antisemitismus. Wir informieren proaktiv, organisieren und planen aktiv und handeln, wenn nötig, reaktiv. Wir bekunden unsere Solidarität mit den Menschen in Israel.“

Von „wahrhaftiger Berichterstattung“ kann dabei natürlich überhaupt keine Rede sein, sondern eher von der Unterdrückung einer ausgewogeneren Information der Öffentlichkeit. Wer die israelische Politik kritisiert, wird als Antisemit denunziert. Und wie im Fall von Norman Finkelstein mit einem faktischen Redeverbot belegt.

WIE DIE KIRCHENGEMEINDE ÜBERZEUGT WURDE

Dieses Lobby-Netzwerk titulierte den geplanten Vortrag als „Skandalveranstaltung“ und behauptete, hier würde Antisemitismus betrieben. In Rundbriefen wurden unzählige Menschen aufgefordert, gegen die Veranstaltung zu protestieren. Protestbriefe sollten insbesondere geschickt werden an den Eigentümer des Veranstaltungsortes, die Trinitatis-Kirche in Berlin. Sie gelte es zu überzeugen, „dass diese ehrenwerte Kirchengemeinde sicher nur aus Unwissenheit ihre Räumlichkeiten für diese Diffamierungsveranstaltung zur Verfügung“ stelle und dass „dies ganz sicher nicht vereinbar ist mit deren aufrichtigen Verpflichtung zum Einstehen gegen Antisemitismus“.

Ebenso wurden massenweise Protestbriefe losgelassen gegen die Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung, die zu den Mitveranstaltern gehört. Auch die Jüdische Gemeinde Berlin, proisraelische Arbeitskreise namens „Shalom“ der in dieser Frage gespaltenen Linkspartei und ein jüdischer Arbeitskreis in der SPD riefen zur Demonstration gegen Finkelstein auf, wobei Finkelstein trotz seiner jüdischen Familie als „Geschichtsrevisionist“ bezeichnet und bewusst in die Nazi-Ecke gestellt wurde. Als Folge dieses übermächtigen politischen Drucks zogen sowohl die Trinitatis-Kirche wie die Heinrich-Böll-Stiftung ihre Einladung zurück. Als daraufhin die Rosa-Luxemburg-Stiftung einsprang, sorgte man dafür, dass auch diese Zusage binnen kürzester Zeit wieder zurückgezogen wurde. Und Finkelstein blies seine Deutschland-Reise ab.

DAS VORGEHEN HAT METHODE

Dieses Vorgehen ist leider kein Einzelfall, sondern hat Methode. Es erinnert an die Raumabsage der Stadt München im Oktober 2009 für einen Vortrag von Professor Ilan Pappe, Verfasser des Buches „Die ethnische Säuberung Palästinas“ über die – so Pappe – „planmäßige Vertreibung“ der einheimischen Bevölkerung. In letzter Minute wurde damals die Erlaubnis, die Veranstaltung mit Pappe im Pädagogischen Institut des Schul- und Kultusreferats der Landeshauptstadt München abzuhalten, widerrufen, nachdem sich die „Deutsch-Israelische Gesellschaft“ per E-Post an den Stadtrat gewandt hatte. Ilan Pappe meinte daraufhin, dass in den dreißiger Jahren die Nationalsozialisten die Meinungsäußerung seiner Eltern unterdrückt hätten. Heute werde ihm abermals in Deutschland die Meinungsäußerung verboten.

Nichts anderes geschieht mit Norman Finkelstein. Im Mai letzten Jahres hatte schon sein Vortrag in Wien nach Protesten der Israelitischen Kultusgemeinde in ein Hotel verlegt werden müssen, da der Vertrag für den angemieteten Hörsaal plötzlich gekündigt wurde. Und in der Bundesrepublik hat Finkelstein de facto Redeverbot. Man kann Professor Dr. Rolf Verleger, dem Vorsitzenden der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“, nur zustimmen, wenn er sagt:

„In seinen besten Traditionen hat das Judentum danach gestrebt, die Welt durch aktives Handeln zu einer gerechteren und barmherzigeren Welt zu machen. Es war der geistige Führer des deutschen Judentums im letzten Jahrhundert, Rabbiner Dr. Leo Baeck, der das Judentum als die Religion der tätigen Moral definierte. In diesem Sinne können und sollen Juden zu Verständigung, Dialog, Versöhnung und Frieden in Nahost beitragen. Die Akteure, die im Namen ihres Judentums Finkelsteins Auftritt verhindert haben, stellen sich außerhalb dieser alten Tradition, und sie haben keine neue: Da ist nur eine große nationalistische Leere.“

Dr. Petersen


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