Die unehrliche Debatte - Hartz IV: Was ist wahr?

Kaum hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Hartz-IV-Sätze verfassungswidrig berechnet worden sind und in ihrer jetzigen Form gegen die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip verstoßen (besonders krass in Bezug auf Kinder), schaltete FDP-Chef Westerwelle auf Frontalangriff gegen die angebliche „schleichende Sozialisierung“ des Landes. In seinem „Kampf gegen links“ möchte er nach seinen Worten „den Finger in die Wunden des linken Zeitgeistes legen“. Hartz-IV-Empfänger sollten auch zum Schneeschippen herangezogen werden und arbeitsunwillige Hartz-IV-Bezieher mit Sanktionen belegt werden können. Es müsse ein größerer finanzieller Abstand zwischen arbeitenden Menschen und Hartz-IV-Empfängern hergestellt werden, als dies heute teilweise der Fall sei.

DIE ANTI-LINKE LEIMRUTE

Die SPD kontert, um einen größeren finanziellen Abstand zwischen Hartz-IV-Empfängern und arbeitenden Menschen herzustellen, bräuchte man einen flächendeckenden Mindestlohn. Gerade dagegen sträube sich aber die FDP. Die Linkspartei, allen voran Oskar Lafontaine, dreht den Spieß um. In Deutschland gehe es derzeit in Wahrheit nur um eins: Wer zahlt die Zeche für die viele Hundert Milliarden teuren Bankenrettungsprogramme, mithin für die Finanzkatastrophe, die von den Bank- und Fondsmanagern verursacht worden ist? Derzeit werde alles getan, um die Lasten den kleinen Leuten, vor allem den Rentnern, den Hartz-IV-Empfängern und den Beziehern geringer Einkommen aufzubürden. Nicht schleichende Sozialisierung, wie von Westerwelle behauptet, finde derzeit in Deutschland statt, sondern Kapitalismus in seiner übelsten Form.

Ein wenig ratlos steht die Union der Diskussion gegenüber. Während der Arbeitgeberflügel über die Äußerungen Westerwelles jubelt, geht die Bundeskanzlerin auf Distanz. Dies sei „nicht ihre Wortwahl“ erklärte sie. Wobei sie offenlässt, ob ihr nur die Wortwahl Westerwelles nicht behagt, oder auch seine inhaltlichen Aussagen. So versucht sich Merkel wieder einmal aus der Affäre zu ziehen.

Eines hat der Jagdruf Westerwelles in jedem Fall bewirkt: Er hat das Land gespalten. In „Rechte“ und „Linke“, in „wir“ und „die anderen“. Das rechte und das linke politische Lager scheinen sich unversöhnlicher denn je gegenüberzustehen. Doch der Schein trügt.

NEBELWERFER WESTERWELLE

Die gegenwärtige, holzschnittartig geführte Hartz-IV-Diskussion übertüncht, dass die Konturen von „rechts“ und „links“ sich längst verwischt haben. Diese vor 220 Jahren geprägte Begrifflichkeit taugt immer weniger zur Beschreibung der politischen Wirklichkeit von heute. Es wird immer schwieriger, zu definieren, wofür diese Begriffe heute eigentlich noch stehen. „Links“ für sozial, „rechts“ für unsozial? Haben nicht gerade die so genannten Rechtsparteien schon vor langer Zeit auf soziale Missstände hingewiesen, auf schleichend zunehmende Kinder- und Altersarmut, auf die Ausfransung des Mittelstandes, in eine immer größere Aufspaltung der Gesellschaft in einige wenige Reiche und viele Arme? War nicht die National-Zeitung an der Spitze derjenigen, die die Unzulänglichkeit der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder angeprangert und sich eingehend mit dem strukturellen Problem der Altersarmut auseinandergesetzt hat?

Zum Thema „soziale Gerechtigkeit“: Wahr ist, dass die Linkspartei, Grüne und weite Teile der SPD die Kosten der sozialen Sicherung vermehrt den Wohlhabenden aufbürden wollen, beispielsweise durch Einführung von Vermögenssteuern oder allgemein höheren Steuersätzen, während vor allem die FDP auf weitere Steuerentlastungen drängt, die natürlich vor allem den Besserverdienenden zugutekommen. Wahr ist aber auch, dass nahezu alle Beteiligten das soziale Sicherungssystem gerade dadurch zum Zerreißen gespannt haben, indem sie immer mehr gering qualifizierte Migranten ins Land ließen und die Einbürgerung von Migranten vorantreiben, die im Durchschnitt wenig zu den deutschen Sozialkassen beitragen, aber umso mehr kosten. Neueste Untersuchungen zeigen, dass ein doppelt so hoher Prozentsatz von Migranten Hartz-IV benötigt wie Bürger ohne Migrationshintergrund. Man kann sich nicht als „Anwalt des kleinen Mannes“ aufspielen und gleichzeitig durch die Förderung unkontrollierter Zuwanderung die Grundfesten der sozialen Sicherungssysteme untergraben. Dass das neue Staatsbürgerschaftsrecht, das die automatische Einbürgerung von hier geborenen Migrantenkindern ebenso vorsieht wie die drastische Erleichterung der Einbürgerung aller anderen hier lebenden Ausländer, von den Unionsparteien voll mit zu verantworten ist, zeigt, dass in diesem Feld ein Rechts-Links-Gegensatz unter den etablierten Parteien praktisch kaum mehr besteht.

„RECHTS“ GLEICH NATIONAL?

Westerwelles plakativer „Kampf gegen links“ vernebelt, dass die Positionen von „rechts“ und „links“ auch in zahlreichen anderen Bereichen schwer vorbestimmt werden können. Was beispielsweise die Große Koalition unter tatkräftiger Mitwirkung der Unionsparteien bei der Reform des Unterhaltsrechts zur Untergrabung der traditionellen Familie getan hat – weniger Rechte des geschiedenen Ehegatten, Förderung der „Patchwork-Familie“ (Familien mit Kindern aus unterschiedlichen Ehen), der faktische Zwang, sich nicht mehr auf künftige Unterhaltszahlungen verlassen zu können und damit auf keinen Fall zugunsten der Familie auf den Beruf zu verzichten – hätten die 68er in ihren besten Tagen nicht anders fordern können.

Und während heute das „linke“ Lager Banken, Manager und Investmentfonds (in Oskar Lafontaines Worten „Ganoven“) für die globale Wirtschafts- und Finanzkrise verantwortlich macht, wird gerne vergessen, dass die nationalen und internationalen Rahmenregelungen zur schrankenlosen Globalisierung der Finanzmärkte bei gleichzeitiger Rücknahme staatlicher Kontrollmöglichkeiten in den 90er Jahren eingeführt wurden, als die Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten einschließlich Deutschlands von sozialdemokratischen oder sozialistischen Regierungen geführt wurden.

Taugt als Unterscheidung zwischen „rechts“ und „links“ wenigstens noch wie früher das Bekenntnis zu nationalen Interessen einerseits bzw. dem Streben nach einer sozialistischen Internationale andererseits? Auch das längst nicht mehr. Union und FDP wollen die Bundeswehr noch stärker in den grotesken, deutschen Interessen widersprechenden Krieg in Afghanistan verstricken. Dagegen hört man von der Linkspartei, ein freiheitlicher Rechtsstaat dürfe keinen Krieg führen, sonst verdiene er dieses Attribut nicht. Wie wahr!

Und während die angeblich rechtsstehende CDU ebenso wie die FDP (und im Übrigen auch SPD und Grüne) der Preisgabe deutscher Souveränität in einer vor Machtfülle überbordenden EU das Wort reden, war es unter allen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien allein die Linkspartei, die gegen den Vertrag von Lissabon (die verkappte Europäische Verfassung) gestimmt hat. Eine Entscheidung, mit der die nationale „Rechte“, die sich zur Verfolgung deutscher Interessen in der Außen- und Europapolitik bekennt, einverstanden war. Für die FDP kann dagegen die weitere Stärkung der EU gar nicht schnell genug weitergehen, damit nur ja die großen internationalen Wirtschaftskonzerne immer freier schalten und walten können.

RAUS AUS DEN SCHUBLADEN!

„Links“ und „rechts“ sind nach alledem in der heutigen Zeit Begriffe ohne jede Aussagekraft geworden, die jemandem wie Westerwelle perfekt zur Täuschung dienen. Sie führen nur zu Vergröberungen in der Diskussion, auf die man gut verzichten könnte. Was die „richtige“ Politik ist, lässt sich nicht mit solchen Schlagworten beurteilen, sondern nur konkret anhand der jeweiligen Sachfrage, mit gesundem Menschenverstand und gemäß der Maßgabe des Grundgesetzes, dem Wohle des deutschen Volkes zu dienen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden.

Dr. Petersen


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