Der Euro unter starkem Druck

Anfang vom Ende der Europäischen Währungsunion?

Eine „Zeitbombe für den Euro“ („Spiegel“). „EU ringt um Euro-Stabilität“ („Südwestpresse“). Das sind nur zwei Beispiele von sich in den vergangenen Wochen häufender Überschriften zur dramatischen Entwicklung bei der Nachfolgewährung unserer guten Deutschen Mark. Selbst die europhile „Zeit“ fragt besorgt: „Was passiert, wenn unsere Lieblingsländer – Griechenland, Italien und Spanien – in Zahlungsnot geraten?“ Um gleich – kleinlaut – einzuräumen: „Es ist genau so gekommen, wie die Mahner und Warner befürchtet hatten. Die Währungsunion steht vor der Zerreißprobe, weil alle Staaten nur auf den eigenen Vorteil schauen.“

Außer Deutschland, muss dazu der Korrektheit halber angemerkt werden. Denn der Euro hat nur in Deutschland zu einer Erhöhung der realen Kreditzinsen und zur Senkung des realen Lohn- und Rentenniveaus geführt.

WÄHRUNG OHNE REGIERUNG

Der Euro ist eine Währung ohne eine Regierung. Stattdessen umfasst er zwischenzeitlich sechzehn Regierungen mit jeweils divergierenden wirtschafts-, finanz- und geldpolitischen Interessen und Traditionen. Diesen der Gemeinschaftswährung innewohnenden Konstruktionsmangel glaubte man im Vertrag von Maastricht mit zwei Regelungen beherrschen zu können: Mit einer Begrenzung der jährlichen Neuverschuldung der Mitgliedsstaaten auf drei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) und mit einer „No-Bail-Out-Klausel“, die es sowohl der Europäischen Zentralbank (EZB) als auch einzelnen Mitgliedsländern der Eurozone verbietet, die Schulden eines Partnerlandes zu übernehmen.

So die Theorie. In der Praxis hat die Drei-Prozent-Schuldenhürde Deutschland unter Finanzminister Hans Eichel (SPD) als erstes Mitgliedsland – wenn auch knapp – gerissen. Das Geschrei war damals groß. Heute schmilzt diese Schuldengrenze dahin wie der Schnee im Frühjahr. Kein Mitgliedsland lässt sich davon noch bei seiner Schuldenaufnahme bremsen. Besonders krass langt in diesem Jahr Griechenland zu. Gleich dreizehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes hat es an neuen Schulden eingeplant. Und das bei einer bereits bestehenden gesamtstaatlichen Verschuldung in Höhe von 113 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Da ist es nur folgerichtig, dass die Londoner Rating-Agentur Fitch die Kreditwürdigkeit Griechenlands auf den internationalen Finanzmärkten von der Bestmarke „AAA“ auf „BBB+“ herabgestuft hat. Mit dramatischen Folgen.

Jetzt ist da, was Euro-Enthusiasten immer für unmöglich gehalten haben, „die Angst vor einer Staatspleite mitten in Europa“ („Spiegel“ 50/2009). Doch „eine Staatspleite bleibt selten nur eine Angelegenheit, die auf den jeweiligen Staat begrenzt ist“, mahnt die „Zeit“. „Sie trifft auch die Partnerländer, Deutschland zum Beispiel. Sie könnte das Ende des Euro bedeuten … und die politische Stabilität des Kontinents gefährden.“

DOMINOEFFEKT

Die Lage erinnert an das Dominospiel. Fällt ein Stein, hier konkret Griechenland, fallen vermutlich auch Italien, Spanien und Portugal – und aus wär’s mit der Währungsunion.

Weil aber in Brüssel und Berlin nicht sein kann, was nicht sein darf, wird laut „Zeit“ jetzt auch noch die zweite bisherige Stabilitätsstütze des Euro, die oben bereits angesprochene „No-Bail-Out-Klausel“, ignoriert. „Denn ausgerechnet die konservativ-liberale Bundesregierung arbeitet – mit Unterstützung der Bundesbank – an der Rettung Griechenlands, weiß die „Zeit“ weiter zu berichten.

Nach „bewährtem“ EU-Muster soll dabei Deutschland, genauer der deutsche Steuerzahler, wieder einmal in die Bresche springen. Zwei Handlungsmöglichkeiten haben sich dazu bisher herausgebildet: überstaatliche Euro-Anleihen und/oder Kredite vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Im Falle von überstaatlichen Euro-Anleihen stiege die Zinsbelastung für Deutschland und verringerte sich die von Griechenland. Die Zinsdifferenz zwischen zehnjährigen deutschen und griechischen Staatsanleihen pendelt um die zwei Prozent. Tendenz steigend.

Bei Krediten vom IWF für Griechenland wäre Deutschland indirekt mit seinen Beiträgen an den IWF an der Finanzierung der hellenischen Schuldenwirtschaft beteiligt. Doch Kredite vom IWF sind immer mit strengen Sanierungsauflagen für die Staatsfinanzen und, damit einhergehend, Souveränitätsverlusten für die betreffenden Länder verbunden.

Ob sich die Griechen unter diesen Bedingungen überhaupt helfen lassen wollen – zumal dabei auch Lohnsenkungen vermeidbar wären –, muss bezweifelt werden. Denn laut dem britischen „Sunday’s Daily Telegraph“ ist Griechenland „das erste Land in den notleidenden Außenbezirken der Europäischen Währungsunion, das Brüssel trotzt und Lohnsenkungen zurückweist, die es mit der frühmittelalterlichen Blutsaugerkur vergleicht“. Und der griechische Premierminister George Papandreou wird mit den Worten zitiert: „Die Arbeitnehmer werden nicht für die Situation bezahlen … Wir werden keinen Lohnstopp oder Lohnsenkungen verfügen. Wir sind nicht an die Macht gekommen, um den Sozialstaat niederzureißen.“

LOHNZURÜCKHALTUNG NUR IN DEUTSCHLAND

Während der Zeit nationaler Währungen in der heutigen Eurozone hatten neben Frankreich besonders die hier in Rede stehenden Mittelmeerländer zur Verbesserung ihrer internationalen Preiswettbewerbsfähigkeit wiederholt ihre Währungen abgewertet. Naturgemäß ist das innerhalb der Eurozone nicht mehr möglich. Zum selben Zweck müssen jetzt anstelle der weggefallenen Wechselkurse die Löhne – und daran gekoppelt – die Renten gesenkt werden. In der Theorie.

In der Praxis hat das aber nur Deutschland gemacht, nachdem es infolge eines zu hoch angesetzten Umtauschverhältnisses bei der Euroeinführung (grob zwei DM für einen Euro) seine Preiswettbewerbsfähigkeit gegenüber seinen Hauptpartnern in der neuen Eurozone verloren hatte. Diese Lohnzurückhaltung verhalf zwar der deutschen Exportwirtschaft wieder zu Wettbewerbsvorteilen, führte aber auch zu realen Einkommensverlusten bei Arbeitnehmern und Rentnern (vgl. die Nullrunden) in Deutschland sowie zu Handels- und Zahlungsbilanzdefiziten bei den Bankrottkandidaten.

Daraus folgt, dass der Euro nicht nur den neo-liberalen Unfug der Lohndrückerei in Deutschland in den letzten zehn Jahren ganz wesentlich gefördert hat, sondern auch mitverantwortlich für die krisenhaften Haushaltsprobleme Griechenlands, Italiens und Spaniens ist.

URSACHEN DER SCHULDENKRISE

Doch deren jahrelange exzessive Ausgabenpolitik ist und bleibt die Hauptursache für die aktuelle Schuldenkrise bei den Euro-Mittelmeerländern. Allein Griechenland hat sich beispielsweise in den zehn Jahren von 1999 bis 2008 für seinen öffentlichen Dienst eine Steigerung der Gehälter um über 100 % geleistet. So der Chefökonom der EZB, Stark (Selbstvorstellung: „Stark wie die Mark), am 18. Januar dieses Jahres in Bayern 5 (Radio). Festzuhalten bleibt in diesem Zusammenhang aber auch, dass sich die mediterranen Ausgaben- und Schuldenexzesse – zum Teil mit gefälschten Statistiken erschlichen – jahrelang unter den Augen der EZB und der EU-Kommission haben ausbreiten können.

„Deutschland muss sparen“, dröhnt es seit Wochen aus der Berliner Regierungszentrale. Gleichzeitig hat sie aber eine Arbeitsgruppe (neudeutsch: Taskforce) „für Europas Bankrottkandidaten gebildet, um denen zur Not finanziell zu helfen. Die wenigsten Deutschen dürften das verstehen“, resümiert die „Zeit“.

Der Ökonom Evans-Pritchard folgert aus alledem im britischen „Sunday’s Daily Telegraph“: „Die tiefere Wahrheit, die nur wenige in Euroland bereit sind anzusprechen, ist, dass die Europäische Währungsunion inhärent dysfunktional ist – für Griechenland, für Deutschland, für alle.“

Gerhard Reiber


Über DSZ-Verlag

Benutzerbild von DSZ-Verlag

Nachname
DSZ-Verlag

Adresse

www.national-zeitung.de

Postfach 60 04 64
81204 München

Telefon +49 89 89 60 850
Telefax +49 89 83 41 534
E-Mail info@dsz-verlag.de

Homepage
http://www.national-zeitung.de

Branche
Zeitung