Verbotene Veröffentlichung im Internet: Tom Sack kassiert fünf Tagessätze

Weil er wiederholt ein amtliches Schriftstück aus einem gegen ihn laufenden Strafverfahren im Internet veröffentlicht hat, verhängte das Amtsgericht Rinteln (Niedersachsen) gegen den zeitgenössischen Künstler Tom Sack mit Urteil vom 9. Februar 2010 eine Geldstrafe von fünf Tagessätzen. Konkret geht es um die Vorabveröffentlichung einer Berufungsbegründung, mit der die Staatsanwaltschaft Bückeburg einen Freispruch des Künstlers in einer anderen Sache angreift.

Gemäß § 353d Nr. 3 StGB ist es verboten, amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens im Wortlaut zu veröffentlichen, bevor diese in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind. Der Angeklagte und sein Verteidiger, Rechtsanwalt Roman von Alvensleben, verwiesen allerdings auf die Rechtsgeschichte dieser Vorschrift. Der Gesetzgeber habe den früher unter dem Titel "Ärgerniserregung durch Gerichtsberichterstattung" existierenden Paragrafen nämlich aus dem Abschnitt der Sittlichkeitsdelikte in den Abschnitt "Straftaten im Amt" des Strafgesetzbuches verschoben. Der Angeklagte sei erstens jedoch kein Amtsträger und zweitens lasse die rechtsgeschichtliche Betrachtung den Schluss zu, dass die Vorschrift in erster Linie die Intimsphäre Dritter, beispielsweise bei Berichterstattung über Sexualdelikte, schützen solle. Hier sei auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1985, Az. 1 BvL 15/84 (NJW 1986, 1239), maßgebend, wonach der Schutzzweck der im Hinblick auf die Meinungs- und Pressefreiheit ohnehin seltsam anmutenden Strafvorschrift überhaupt nicht tangiert sei, wenn das Einverständnis des von der Veröffentlichung persönlich Betroffenen vorliege. Genau dieser Sachverhalt sei hier gegeben, es gehe in dem Schriftstück ausschließlich um den Angeklagten, Dritte seien durch die Wiedergabe im Wortlaut nicht verletzt. "Oder fühlen Sie sich, Herr Staatsanwalt, von der Veröffentlichung des von Ihnen verfassten Schriftstücks etwa selbst betroffen?", beendete von Alvensleben die rechtlichen Ausführungen.

In seinem Schlusswort betonte der Angeklagte, dass seine Glaubwürdigkeit aufgrund des immer noch im Raum stehenden Vorwurfs der "Kunstfälscherei im großen Stil" und der diesbezüglich in Berlin und Bückeburg erhobenen Anklagen derart herabgesetzt sei, dass er nur durch die getreue Wiedergabe von Unterlagen im Internet für Transparenz sorgen könne. Jeder solle sich selbst ein Bild von ihm, den im Raum stehenden Vorwürfen, der Argumentation der Staatsanwaltschaft sowie der Auffassung der Gerichte machen. Für ihn sei dies letztendlich eine Form der Notwehr, denn eine Wiedergabe der Unterlagen in indirekter Rede, wie es unstrittig zulässig sei, nehme ihm niemand ab. Sein offener Umgang mit dem ganzen Komplex sei die einzige Möglichkeit, seinen durch die Staatsanwaltschaft nachhaltig zerstörten Ruf und sein Ansehen in der Öffentlichkeit einigermaßen zu retten. Schließlich mahnte Tom Sack noch die Ressourcenverschwendung an, die hier stattgefunden habe. Wenn Gerichte mit solchen Sachen beansprucht würden, sei es kein Wunder, dass Richtern keine angemessene Zeit für den Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen bliebe oder Verfahren zum Schaden des Beschuldigten viele Jahre verschleppt würden, so wie in seinem Fall.

Richter und Verteidiger waren sich darin einig, dass hier eigentlich eine Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO angebracht sei, weil der Beschuldigte in anderen Sachen ohnehin höhere Strafen zu erwarten habe. Es folgte daher ein entsprechendes Angebot an die Staatsanwaltschaft. Diese bestand jedoch auf der Weiterführung des Verfahrens, denn "es kann nicht sein, dass jemand immer wieder kleinere Straftaten begeht und diese ungeahndet bleiben sollen, nur weil ein größerer Prozess im Hintergrund läuft". Als Strafverfolgungsbehörde könne man keine Ausnahmen von der Strafverfolgungspflicht machen, es gehe ums Prinzip. Das Gericht hatte für diese Auffassung letztendlich wenig Verständnis und beließ es bei der äußerst milden Strafe von fünf Tagessätzen, um die man aus formalen Gründen nun mal nicht umhinkomme. Als "Wiederholungstäter" könne Herr Sack aber keine erneute Aussetzung zur Bewährung erwarten.

Es ist davon auszugehen, dass sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung gegen dieses Urteil in Berufung gehen werden. Die Staatsanwaltschaft hatte eine empfindlichere Geldstrafe gefordert, die Verteidigung einen Freispruch. Es geht eben ums Prinzip.