Protest gegen Benedikt und Pius

Warum das Seligsprechungsverfahren für Pius XII. aufgehalten werden soll.

Lautstarke Empörung in einer unheiligen Koalition von „modernistischen“ Linkskatholiken, antiklerikal-laizistischen Kräften und jüdischen Kreisen (vorwiegend zionistischer Ausrichtung): Papst Benedikt XVI. hat es gewagt, im Seligsprechungsverfahren für seinen Amtsvorgänger Pius XII. (geboren 1878; Papst von 1939–1958) einen entscheidenden Schritt zu tun. Er stellte formell den „heroischen Tugendgrad“ des „Pastor Angelicus“ (des engelgleichen Hirten) fest, wie die Verehrer Eugenio Pacellis diesen Papst gerne nennen. Gemeint ist mit Benedikts Feststellung, dass das komplizierte Untersuchungsverfahren, in dem auch ein sog. advocatus diaboli (Anwalt des Teufels) alles Negative über das Leben des Verstorbenen vorzubringen hat, Pacellis vorbildliche Lebensführung ergeben habe. Jetzt fehlt zur Seligsprechung nur noch die Anerkennung eines Wunders, bestätigt durch ein Gremium von Ärzten, Kardinälen, Bischöfen und sonstigen Experten.

Man sollte annehmen, dass ein derartiger innerkirchlicher Vorgang nur Christgläubige berührt, die an die im christlichen Credo erwähnte „Gemeinschaft der Heiligen“ glauben. Da aber Pius XII. eine herausragende Gestalt der Zeitgeschichte ist, fühlen auch viele Nichtgläubige sich berechtigt, von bestimmten ideologischen Positionen her den Pacelli-Papst moralisch zu diskreditieren. Spätestens seit dem aufsehenerregenden Bühnenstück „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth (Uraufführung Berlin 1963) wird Pius XII. moralisches Versagen vorgeworfen: Pius habe zum Judenmord geschwiegen, anstatt sein hohes Amt für eine Mobilisierung der Weltöffentlichkeit gegen die NS-Machthaber zu nutzen.

ERREGTE KRITIKER

Die Proklamation Papst Benedikts ruft nun die Kritiker Pacellis wieder auf den Plan. Sie wollen jede Ehrung Pius XII. verzögern oder verhindern, haben sie doch verinnerlicht dass Pius in der jüdischen Gedenkstätte Jad Vashem seit Jahren einen Platz in der „Halle der Schande“ hat. Besonders eifrig gebärdet sich ein zum Judentum übergetretener deutscher Staatsbürger: Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ihn mache wütend, dass Papst Benedikt keine ernsthafte historische Debatte zulasse, des Papstes Schritt sei „absolut verfrüht“.

Offensichtlich spielt Kramer damit auf die ungeheure Fülle von Akten an, die im Vatikanischen Geheimarchiv seit 2006 der historischen Forschung über das Pontifikat Pius XI., dem Pacelli als Kardinalstaatssekretär gedient hatte, zugänglich sind. Eine Öffnung der Bestände zum Pontifikat Pius XII. würde wahrscheinlich noch einmal etwa hunderttausend archivalische Einheiten hinzubringen. Es müssten also wahrscheinlich noch viele Jahre vergehen, bis auf breitester Quellengrundlage und methodisch verantwortungsvoll abschließende Biografien über die beiden Pius-Päpste verfasst werden könnten. Wollte man die Seligsprechung Pius XII. von dem Erscheinen einer solchen Biografie abhängig machen, müsste eine Seligsprechung Pacellis um Jahrzehnte verschoben werden. Der Vatikan sieht dazu keine Veranlassung. Pius XII. habe mit stiller Diplomatie Juden und anderen Verfolgten des Nationalsozialismus und des Faschismus geholfen, wo er nur konnte.

STILLE DIPLOMATIE

Die jüdische Gemeinde in Rom verwies jetzt auf die Deportation von 1.021 italienischen Juden, die Pius XII. nicht verhindert habe. Hierzu muss man wissen, dass in Rom über 4.000 Juden auf päpstliche Initiative hin überleben konnten, also vier Fünftel der damaligen römischen Judengemeinde. Nach Auffassung von Sir Martin Gilbert (jüdischer Holocaust- Forscher) sind in der Zeit des 2. Weltkrieges wenigsten 100.000 Juden durch Pius XII. gerettet worden – mehr als von jeder anderen Persönlichkeit der Zeitgeschichte.

Die stille Diplomatie dieses Papstes wird auch eindrucksvoll durch die schrecklichen Folgen eines auf Öffentlichkeitswirkung bedachten Handelns der niederländischen Bischöfe bestätigt. Am 26. Juli 1942 ließ der niederländische Episkopat von allen Kanzeln einen flammenden Protest gegen die Judenverfolgung in den besetzten Niederlanden verlesen. Als Antwort darauf wurden nun auch katholisch getaufte niederländische Juden, die zu verschonen die Machthaber beabsichtigten, in die Deportationen einbezogen. Pius protestierte auf andere Weise. In seiner Weihnachtsbotschaft des Jahres 1942 proklamierte er ausdrücklich die unveräußerlichen Grundrechte eines jeden Menschen und gedachte der Hunderttausenden von Menschen, die „ohne eigene Schuld, zum Teil nur wegen ihrer Nationalität oder Rasse dem schnellen oder langsamen Tod“ ausgeliefert seien. Nur durch ein andeutendes Sprechen konnte er hoffen, den diplomatischen Bewegungsspielraum der römischen Kurie nicht zu riskieren.

Moraltheologisch sah Pius sich gerechtfertigt. Denn durch die Beschränkung auf stille Diplomatie konnte er hoffen, „noch größere Übel“ (Beispielfall Niederlande!) zu verhindern. Aber seelisch brach Pius unter diesem Dilemma fast zusammen.

BEWUNDERER DEUTSCHER TUGENDEN

Pacelli lehnte den Rassenantisemitismus entschieden ab. Dieser Eindruck kann nicht dadurch relativiert werden, dass man auf einige Zitate aus den Nuntiaturberichten Pacellis aus der Zeilt der bayerischen Räterepublik zurückgreift. Als damaliger päpstlicher Nuntius in München erlebte er die brutalen Übergriffe führender Revolutionäre (Levien, Leviné u. a.) gegen die Nuntiatur. Pacelli äußerte sich damals z.T. abfällig über die „sehr harte, russisch-jüdisch-revolutionäre Tyrannei“.

Manchen (deutschfeindlichen) Kritikern gefällt auch nicht, dass der Römer Pacelli während seiner Jahre als päpstlicher Nuntius (1917– 1929; zunächst in München, dann in Berlin) das deutsche Volk sehr schätzen gelernt hat. Pacelli bewunderte deutsche Tugenden wie Ordnungssinn, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Fleiß und ganz besonders die deutschen Leistungen in der Technik. Dies trübte dem späteren Papst aber nicht den Blick für Fehlentwicklungen der deutschen Politik, insbesondere für die verhängnisvolle Zuspitzung in der Judenpolitik.

Was atheistisch-laizistische Kräfte mit modernistischen Linkskatholiken in der Abneigung gegen Pius XII. verbindet, ist der aristokratische Zug dieses hochgebildeten, frommen Diplomaten. Ferner die Tatsache, dass Pius den Bolschewismus als höchst gefährlich einschätzte. Modernistischen Linkskatholiken ist Pius XII. auch deshalb unsympathisch, weil er sich entschieden gegen die Anpassung der katholischen Glaubenslehren an die Ideen von 1789 und an das Aufklärungsdenken stellte. Ein enger Mitarbeiter Pacellis, Pater Robert Leiber SJ, hob bei diesem Papst „die hohe Auffassung von seiner Pflicht“ hervor, „den katholischen Glauben in seiner vollen Reinheit und in scharfer Abgrenzung gegen jede Abweichung und jeden Irrtum herauszuheben und zu verteidigen“.

Zu Zeiten Pius XII. war die katholische Weltkirche noch eine machtvolle Institution. Jede auch nur partielle Besinnung darauf ist atheistischen Laizisten ein Gräuel – daher darf Pius XII. nicht zur Ehre der Altäre erhoben werden.

Es nutzte Papst Benedikt wenig, dass er in seiner Proklamation auch den „heroischen Tugendgrad“ von Papst Johannes Paul II. feststellte. Gegen den polnischen Papst könnten national-konservative deutsche Katholiken, die der Verlust der deutschen Ostgebiete schmerzt, einiges einwenden. Doch sie werden auch einen seligen Johannes Paul II. hinnehmen können, denn kein Katholik ist verpflichtet, einen bestimmten Seligen oder Heiligen zu verehren oder als Fürsprecher anzurufen.

Manfred Müller


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