Die Goldman-Verschwörung

Wo sitzt die wahre Macht in den USA? Im Weißen Haus in Washington? Oder in einem Hochhaus in 85 Broad Street in Manhattan? Letzteres ist der Firmensitz der Investmentbank Goldman Sachs. Das mächtigste Bankhaus der Welt hat seine Finger überall. Jetzt hat US-Präsident Obama auch noch den früheren Goldman-Sachs-Manager Murphy als neuen US-Botschafter für Deutschland benannt.

Der ehemalige Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds Simon Johnson sprach kürzlich von einem „stillen Putsch“ des Kapitals. Damit meinte er nicht zuletzt das Bankhaus Goldman Sachs. Kritiker weisen seit langem auf die überaus engen Verflechtungen zwischen Goldman Sachs und der amerikanischen Politik hin – und auf die zweifelhafte Rolle, die das Bankhaus bei zahlreichen Krisen der jüngsten Zeit gespielt hat.

Auffällig: Die Finanzkrise beutelt die Kreditinstitute überall auf der Welt schwer. Der größte Konkurrent von Goldman Sachs, die Investmentbank Lehman Brothers, ist pleitegegangen. Der Aktienkurs beispielsweise von Citigroup dümpelt bei 3 Dollar herum. Dagegen vermeldet Goldman Sachs bereits wieder einen Milliardengewinn und Umsatzrekorde. Der Aktienkurs bewegt sich um die 140 Dollar. Wie kann das sein? Sind sie einfach besser als alle anderen? Verfügen sie über Insiderwissen aus der Regierung, manipulieren sie die Regierung in ihrem Sinn? Oder greifen sie zu ganz schmutzigen Tricks, um ihre Ziele durchzusetzen?

KRISEN ERZEUGEN UND DARAUS PROFIT ZIEHEN

In einem Aufsehen erregenden Artikel, der jetzt in der Zeitschrift „Rolling Stone“ erschien, analysiert der amerikanische Journalist Matt Taibbi die Vorgehensweise von Goldman Sachs. Seine Schlussfolgerung: „Die mächtigste Investmentbank der Welt ist ein riesiger Vampirtintenfisch, getarnt mit menschlichem Antlitz, der aber unerbittlich seinen Bluttrichter in alles rammt, das nach Geld riecht.“ Goldman Sachs habe systematisch Pensionsfonds und andere Investoren abgezockt, indem man ihnen Berge von toxischen Wertpapieren angedreht habe, von denen Goldman Sachs ganz genau gewusst habe, dass sie wertlos sind. Dann habe Goldman Sachs viele Milliarden Steuergelder eingesackt, indem der Staat die Schulden des Kreditversicherers AIG bei Goldman Sachs übernommen habe. Weiter habe Goldman Sachs den Erdölpreis nach oben manipuliert, zum massiven Schaden aller. Außerdem sei Goldman Sachs maßgeblich verantwortlich für das Entstehen der riesigen Spekulationsblase am Neuen Markt, durch die allein in den USA 5 Billionen Dollar an Vermögen vernichtet wurden.

Die Vorgehensweise sei immer die gleiche: Zuerst wird künstlich eine gewaltige Spekulationsblase erzeugt. Beispielsweise auf dem Neuen Markt der Internet- und Computeraktien. Wie die amerikanische Börsenaufsicht später feststellte, schönte Goldman Sachs bewusst die Berichte über Unternehmen, die an die Börse gebracht wurden. Risiken wurden verschleiert und die Gewinnaussichten zu positiv dargestellt. Spezielle Kunden erhielten präzise Berichte, der normale Investor wurde dagegen im Unklaren gelassen beziehungsweise in die Irre geführt. Irgendwann musste die Spekulationsblase, die auf Sand gebaut war, platzen. Zahlreiche Privatanleger, aber auch Pensionsfonds, denen Millionen Amerikaner ihre Altersersparnisse anvertraut haben, verloren ihr Geld. Goldman Sachs dagegen hat Kasse gemacht. Die amerikanische Börsenaufsicht verurteilte Goldman Sachs im Nachhinein für unkorrektes Verhalten. Die auferlegte Strafe war jedoch geradezu lächerlich niedrig im Vergleich zu den durch die Manipulationen erwirtschafteten Gewinnen.

Goldman Sachs, so die Vorwürfe weiter, sei auch die treibende Kraft hinter dem Handel mit wertlosen amerikanischen Immobilien-Finanzderivaten. An der dadurch hervorgerufenen Finanz- und Wirtschaftskrise krankt die ganze Welt. In Deutschland drohen deswegen Millionen zusätzliche Arbeitslose. Von den astronomischen Staatsschulden, die zur Eindämmung der Krise nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und vielen anderen Staaten aufgenommen wurden, ganz zu schweigen.

GOLDMÄNNER IN ALLEN SCHLÜSSELPOSITIONEN

Dieser Handel mit toxischen Wertpapieren wurde ganz besonders raffiniert eingefädelt. Goldman Sachs, so der Vorwurf, setzte dafür sein enges Beziehungsgeflecht zur amerikanischen Regierung ein. Tatsächlich befinden sich ehemalige Goldman-Sachs-Mitarbeiter in nahezu allen Schlüsselpositionen der Macht – vom Weltbankpräsidenten bis hin zum Direktor der italienischen Nationalbank. Ganz zu schweigen von den engen Verbindungen zu anderen Unternehmen und den amerikanischen Medien, was Recherchen erschwert. Kritische Berichte wie die von Matt Taibbi werden als „anti-jüdisch“ abqualifiziert, weil man damit das „jüdischste aller Unternehmen“ bewusst schlechtmache. Nicht umsonst gilt Goldman Sachs als „Weltmacht mit Drehtür“ – zahlreiche Mitarbeiter von Goldman Sachs gingen zur Regierung und kehrten anschließend wieder zurück zu Goldman Sachs.

Im Fall der toxischen Wertpapiere spielte die entscheidende Rolle Robert Rubin, von 1995 bis 1999 Finanzminister unter Bill Clinton (heute einer der einflussreichsten Finanzberater von Barack Obama, ferner der „Ziehvater“ des amtierenden US-Finanzministers). 28 Jahre lang, von 1964 bis 1992, hatte er zuvor bei Goldman Sachs gearbeitet. Rubin war es, der forderte, die Finanzmärkte von bestehenden Regulierungen zu befreien. Dadurch erst wurde die spätere Bündelung von Immobilienkreditforderungen in großem Stil ermöglicht, durch die planmäßig verschleiert wurde, dass ein erheblicher Teil dieser Kredite schlecht abgesichert war. Goldman Sachs, so die Analyse weiter, habe als einzige den wahren Charakter der toxischen Wertpapiere gekannt. Andere Banken seien damit genauso baden gegangen wie unzählige Investoren in aller Welt, denen die Ramschpapiere verkauft wurden. Deshalb habe Goldman Sachs die Finanzkrise nicht nur unbeschadet, sondern gestärkt überstanden. Mehr noch: Als höhere Ironie wettete das Bankhaus auch noch gegenüber dem Kreditversicherer AIG, dem die Finanzkrise weitgehend das Genick brach, auf den Niedergang dieser Papiere. So blieb AIG auf 13 Milliarden Dollar Schulden gegenüber Goldman Sachs sitzen.

WIE MAN AN DER FINANZKRISE DREIFACH VERDIENT

Klar, dass Goldman Sachs nicht einfach auf 13 Milliarden Dollar verzichtete. Wenn schon AIG seine Schulden nicht mehr bezahlen konnte, dann sollte das bitteschön der amerikanische Steuerzahler tun. Wie gut, dass man seine Leute überall platziert hat! Der damalige Finanzminister unter Präsident Bush, Henry M. Paulson, war „zufälligerweise“ zuvor Vorstandsvorsitzender von Goldman Sachs. Nur einen Tag, nachdem Paulson beschlossen hatte, die Investmentbank Lehman Brothers, den größten Konkurrenten von Goldman Sachs, nicht zu retten, sondern Pleite gehen zu lassen, wurde ein riesiges staatliches Hilfspaket für AIG geschnürt. Erst Monate später wurde bekannt, dass ein Großteil dieser Staatsgelder von AIG dafür verwendet wurde, seine Schulden bei Goldman Sachs zu bezahlen. Schulden, die dadurch entstanden waren, dass AIG im guten Glauben auf die Werthaltigkeit der besagten Immobilien-Finanzderivate vertraute, Goldman Sachs aber auf den Zusammenbruch dieser Papiere spekulierte – und damit gleich doppelt verdiente.

Letztlich verdient Goldman Sachs an den toxischen Immobilien-Finanzderivaten und der damit hervorgerufenen Finanzkrise sogar dreifach: Die Staaten begegnen der Krise, indem sie Milliarden, wenn nicht Billionen zusätzlicher Schulden aufnehmen. Die entsprechenden staatlichen Schuldverschreibungen müssen natürlich an den Mann gebracht werden. Hauptgewinner wird auch hier Goldman Sachs sein, das sich über viele Millionen, vielleicht sogar Milliarden an zusätzlichen Verkaufsprovisionen freuen kann.

DIE ROHSTOFF- UND DIE NAHRUNGSMITTELKRISE

Damit ist der Hunger dieses Bankhauses natürlich bei Weitem noch nicht gestillt. Wie der Journalist Matt Taibbi detailliert ausführt, lenkte Goldman Sachs nach dem Zusammenbruch des Immobiliensektors und damit praktisch aller Bank- Schuldverschreibungen die Geldströme gezielt in eine andere Richtung: Den Handel mit Rohstoffen, genauer gesagt mit Wetten auf künftige Rohstofflieferungen. Das betraf nicht zuletzt Nahrungsmittel, was erheblich zu den drastisch angestiegenen Lebensmittelpreisen im vergangenen Jahr beitrug und damit Hunger und Elend in der Welt produzierte. Der Schwerpunkt jedoch lag beim Handel mit Erdöl. Im ersten Halbjahr 2008 vervielfachte sich der Preis für Rohöl plötzlich. Die landläufige Meinung war, dass ein verknapptes Angebot und steigende Nachfrage die Ursache des rapiden Preisanstiegs waren. Dementsprechend forderte der amerikanische Präsidentschaftskandidat der Republikaner, John McCain, künftig Ölbohrungen vor der amerikanischen Küste und in Naturschutzgebieten durchzuführen, um die Nachfrage besser befriedigen zu können. Barack Obama sah das Heil im Ausbau alternativer Energien und im Einsatz von Hybridfahrzeugen. Beide lagen falsch. Eine genaue Analyse zeigt, dass 2008 das Angebot an Erdöl so groß wie noch nie war und die Nachfrage sogar etwas zurückgegangen ist. Am Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage kann es also nicht gelegen haben. Der Schlüssel liegt auch hier wieder bei Goldman Sachs.

Als Folge der Großen Depression in den Dreißiger Jahren hatte die amerikanische Regierung strenge Regeln für den Handel mit künftigen Rohstofflieferungen aufgestellt. Wie Matt Taibbi nachweist, erwirkte Goldman Sachs jedoch, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, eine Ausnahmegenehmigung von der amerikanischen Regierung. Damit war der Weg frei für Rohstoff- Spekulationen in größtem Stil. Nachdem infolge der Finanzkrise kein Anleger mehr irgendwelchen Bankwerten vertraute, empfahl Goldman Sachs seinen Kunden, auf „reale Dinge“ (also Rohstoffe und insbesondere Erdöl) zu setzen. So wurde eine gewaltige Spekulationsblase bei Erdöl erzeugt, die natürlich irgendwann platzen musste, weil sie keinen Bezug zur realen Welt mehr hatte. Als dann der Preis für Erdöl im zweiten Halbjahr 2008 wieder einbrach, hatten erneut zahlreiche Anleger und insbesondere Pensionsfonds Unsummen verloren. Millionen Amerikaner büßten erneut einen erheblichen Teil ihrer Altersersparnisse ein. Goldman Sachs dagegen hat prächtig verdient. Übrigens beginnt sich die gleiche Spekulationsblase schon wieder zu füllen. Es scheint, dass noch nicht genügend Menschen begriffen haben, was hier vorgeht.

GOLDMAN SACHS UND DAS KARSTADT-DESASTER

Im Ergebnis kann man feststellen, dass Goldman Sachs über sein engmaschiges Beziehungsgeflecht die Regierung der USA und sogar den Lauf der Weltpolitik praktisch nach Belieben beeinflussen und steuern kann. Die Folgen sind für die Allgemeinheit fatal. Auch wir Deutsche sind massiv betroffen. Viele Menschen bei uns, die in Aktien investierten, haben beim Platzen der Internet- Blase ein Vermögen verloren. Die von Goldman Sachs maßgeblich verursachte Finanzkrise hat Deutschland fest im Griff. Und auch für die wieder stark ansteigenden Benzinpreise dürfen wir uns bei Goldman Sachs bedanken. Und nach der „Microsoft-Steuer“ bei Computern können wir uns demnächst auf die „Goldman-Sachs- Steuer“ für produzierendes Gewerbe freuen. Die Rede ist vom Handel mit CO2-Emissions-Zertifikaten. Anders als bei einer Sonderabgabe fließen die Einnahmen daraus nicht dem Staat zu, sondern den Emissionshändlern: Eine wahre Goldgrube für die Goldmänner …

In einem weiteren Punkt ist der deutsche Steuerzahler derzeit ganz konkret vom Goldman-Sachs- Treiben betroffen. Als Karstadt in Schieflage geriet, holte es sich die Berater von Goldman Sachs. Diese empfahlen den Verkauf der Kaufhaus- Immobilien bei gleichzeitiger Rückanmietung – zu horrenden Mietpreisen. Die Kaufhäuser wurden sinnigerweise an niemand anderen verkauft als an Goldman Sachs – genauer gesagt an die Immobilientochter Whitehall. An der Verwertungsgesellschaft hält Goldman Sachs 51 Prozent der Anteile. Die Miete kostet Karstadt 350 Millionen Euro pro Jahr – zu viel, um wirtschaftlich überleben zu können. Goldman Sachs brachte Karstadt sogar dazu, beim Verkauf der Immobilien nicht einmal ein Konkurrenzangebot zu prüfen. Dafür steckte das Bankhaus eine Provision in einem hohen zweistelligen Millionenbetrag ein.

Für Goldman Sachs ist Karstadt eine Lizenz zum Gelddrucken. Für die Angestellten des Konzerns und für den deutschen Steuerzahler ist das Engagement von Goldman Sachs dagegen ein Desaster. Es wird Zeit, sich von dieser Krake zu befreien.

Dr. Petersen


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