Studieren in Holland (1): Ein Jahr mehr, aber gemütlich international

Ihre Marketingagenturen bestücken Messestände und organisieren Werbeveranstaltungen an deutschen Gymnasien: mit aggressiver Werbung fischen holländische "Hogescholen" nach deutschen Studenten, denn die gelten als gut und sie helfen vor allem den niederländischen Bildungseinrichtungen, ihre Jahresetats zu stabilisieren.

Um es vorab zu sagen: eine niederländische "Hogeschool" ist eigentlich nur aufgrund europäischer Verwaltungsakte einer deutschen Fachhochschule gleichgestellt, nicht aber in der Realität. Inhaltlich und strukturell liegen Welten zwischen den beiden Systemen: Während eine deutsche FH über ministeriell geprüfte Professoren verfügt und selbstverständlich wissenschaftliche Lehre zur Anwendung bringen kann, sind holländische Hogescholen eher das, was man in den USA "Colleges" nennt und was früher in Deutschland als "Höhere Handelsschule" bekannt war, also Einrichtungen mit rein angewandt ausgebildeten Dozenten, die aber in den allermeisten Fällen keineswegs selbst ein Hochschulstudium nachweisen müssen und können.

Manche von diesen Einrichtungen sind gar so dreist, dass sie sich mit dem in Holland - anders als in den anderen EU-Ländern - nicht gesetzlich geschützten Begriff "University" schmücken, obwohl sie keineswegs eine echte Universität im Sinne dieses Wortes sind. Sie nutzen die dürftige Rechtslage in den Niederlanden für eigene Werbezwecke aus.

Staatliche Gelder ergattern

Die sämtlich in privater Trägerschaft agierenden "Hogescholen", die seit mehr als 25 Jahren am Markt sind und sich trotz des auffallenden Mangels an akademisch gebildeten Dozenten gemäß einer Erlaubnis des zuständigen Ministeriums in Den Haag seit wenigen Monaten "University of Applied Sciences" - nicht aber einfach nur "University" - nennen dürfen, balgen sich um die Studenten aus Deutschland. Der Grund: für jeden eingeschriebenen Studenten, der pro Jahr 1.600 Euro zahlt, kommt aus Den Haag nochmals das Drei- bis Vierfache aus staatlichen Mitteln hinzu. Und damit lässt es sich komfortabel wirtschaften.

Dass das "Studium" zum Bachelorabschluss in den Niederlanden vier Jahre dauert statt drei, wie in Deutschland, wird dabei gern übersehen.

Studieren an einer Hogeschool in Holland dauert also auf jeden Fall ein Jahr länger als das Studium an einer deutschen FH. Macht die versprochene Internationalität an einer solchen holländischen Hogeschool den Zeitverlust wett?

Wohl kaum, denn neben dem Imageverlust für den deutschen Absolventen einer solchen Einrichtung, die einer deutschen FH nicht "das Wasser reichen" könnte, erwarten ihn insgesamt 6.400 Euro Studiengebühren in den vier Studienjahren, statt 3.000 Euro an einer staatlichen deutschen FH. Zugleich genießt der Studierende in Deutschland messbar mehr Qualität, weil man hier über wesentlich mehr akademisch gebildete Dozenten verfügt und nicht nur zehn bis zwölf, sondern zwanzig bis zweiundzwanzig Lehrveranstaltungsstunden pro Semesterwoche anbietet - also viel mehr mit den Studierenden arbeitet.

Möglicherweise tummeln sich an den holländischen "Hogescholen" mehr internationale Studenten. Aber für sie alle gilt, dass sie dort nicht der straffen deutschen Anforderung unterworfen sind, in nur drei Jahren bei mind. 130 Semesterwochenstunden betreut zu werden - in Holland bietet man allenfalls 96 Semesterwochenstunden, bei wesentlich höheren Kosten und bei einem zusätzlichen Jahr Lebenszeitverlust.

Auch die "neue Währung" ECTS (European Credit Points) wird in den Niederlanden vergleichsweise weniger ergiebig eingesetzt. Lediglich zwischen 26 und 28 Stunden Studienzeit erwartet man in Holland pro Credit Point, während in Deutschland auch hierbei das Niveau europaweit am höchsten liegt: 30 Zeitstunden müssen pro Credit Point gebüffelt werden.

Fazit

Ein Jahr länger studiert zu haben, dabei vergleichsweise ein Drittel weniger gelernt zu haben, von deutlich schlechter ausgebildeten Dozenten betreut gewesen zu sein - das ist die Bilanz am Ende eines solchen "Studiums". Wer im Grunde bloß eine Bachelorurkunde braucht, wird sich über ein internationales Ambiente und solche weniger herausfordernden Möglichkeiten, zu einem Studienabschluss gelangen zu können, freuen. Wer sich aber "employability" erwartet und sich in Deutschland oder auch international gegen an hiesigen FHs studierte Mitbewerber durchsetzen will oder muss, für den könnten die vier Hogeschool-Jahre in Holland letztlich einen schmerzlichen Chancenverlust bedeuten.


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