Die Schwäche des Exportweltmeisters

Desaströse Perspektiven: Um die globale Finanzkrise besser zu überstehen, muss Deutschland mehr für die Binnennachfrage tun. Ein Kommentar von Alexander Hagelüken

Die ökonomischen Zahlen brechen einen negativen Rekord nach dem anderen. Wie am Donnerstag bekannt wurde, schrumpften die deutschen Exporte zuletzt stärker, als es seit der Wiedervereinigung je der Fall war. Das Ausmaß des Desasters lässt sich daran erkennen, dass die Industrie im November ein Viertel weniger Aufträge erhielt als ein Jahr zuvor - ein gewaltiger Einbruch. Die Bundesrepublik ist in den Folgen der Finanzkrise gefangen. Es hilft den Deutschen wenig, dass sie ihre Firmen unter Mühen konkurrenzfähiger gemacht haben und deshalb Exportweltmeister sind. Im Gegenteil: Weil sie so abhängig sind von Ausfuhren, spüren sie die globalen Turbulenzen besonders stark.

Die Amerikaner, die jahrelang über ihre Verhältnisse konsumierten und so einen globalen Boom anfachten, fallen bis auf weiteres als Käufer aus. Das löst Tristesse bei deutschen Autoherstellern oder Maschinenbauern aus, die für die Volkswirtschaft so zentral sind. Und die Krise hat sich schon ausgeweitet. Längst halten sich China oder Japan ebenso mit Aufträgen zurück. Und die europäischen Nachbarn erwarben zuletzt sogar besonders wenig Waren. Gäbe es den Euro nicht, der die früher üblichen Aufwertungen der Mark gegen Franc oder Lira ausschließt, die Nachbarn würden noch weniger bestellen. So wie der Exportweltmeister vom globalen Aufschwung der vergangenen Jahre übermäßig profitierte, leidet er jetzt besonders stark. Darin zeigt sich die Schwäche eines Landes, dessen Wirtschaft fast zur Hälfte vom Verkauf über die Grenze lebt.

Um diese Verwundbarkeit zu reduzieren und das Wachstum insgesamt zu erhöhen, sollten die deutschen Politiker überlegen, wie sie langfristig die inländische Nachfrage stärken können. Dabei verbieten sich übertriebene Lohnabschlüsse, die am Ende nur Arbeitslosigkeit produzieren. Gefragt ist eine Tarifpolitik, die die Beschäftigten an den Erfolgen der Firmen beteiligt, wenn diese welche haben. Und gefragt sind Politiker, die vor allem Deutsche mit mittleren und niedrigen Einkommen von Abgaben entlasten - damit die guten Gewissens konsumieren, ohne in eine Schuldenfalle zu geraten.

Anders als die Amerikaner sind die Deutschen große Sparer und zaghafte Käufer. Sie werden nur dann auf Dauer mehr konsumieren, wenn die Politik ihnen das Gefühl gibt, sie auf Dauer von staatlichen Abgaben zu entlasten. Dieser Impuls ist nötig, um die deutsche Wirtschaft von ihrer zu großen Abhängigkeit vom Export zu befreien.

Natürlich ist das ein Prozess, der Zeit braucht. Es geht um eine langfristige Politik für die Zeit, wenn die heutige Krise vorüber ist. Im Moment sollte die Bundesregierung schon mal zeigen, dass ihr der Konsum wichtig ist. Sie darf dabei nicht zu lange grundsätzlich debattieren, sondern muss schnell und heftig handeln: Mit einem richtig großen Konjunkturprogramm. Es droht die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg, aber die deutschen Parteien gefallen sich im Schaulaufen vor der Bundestagswahl.

Der neue US-Präsident Barack Obama forderte am Donnerstag drastische Schritte gegen den Einbruch und warnte vor einer Arbeitslosenrate von mehr als zehn Prozent. Dieses Gefühl für die Dramatik der Situation vermisst man bei deutschen Politikern nach wie vor. Die kleinlichen Streitereien über Details des Konjunkturpaketes verleiden es den Bürgern, Geld auszugeben, wenn sich die Regierung dann endlich auf Entlastungen geeinigt hat.

Amerika hat die Finanzkrise maßgeblich verschuldet, doch nun sieht es so aus, als ob die Amerikaner besser auf den Wachstumseinbruch reagieren, mit einem schnellen und gewaltigen Krisenpaket. Richtig so - jetzt ist keine Zeit für Grundsatzdebatten über die Rolle des Staates. Das Zögern der Deutschen ist umso unverständlicher, als sie sich das Konjunkturprogramm viel eher leisten können als die hochverschuldeten USA. Quelle: (SZ vom 09.01.2009/mel)

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08.01.2009: |