Im Alter von 84 Jahren gestorben: Johannes Mario Simmel ist tot

Einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller der Nachkriegszeit ist tot: Johannes Mario Simmel starb am 1. Januar im Alter von 84 Jahren in einer Luzerner Privatklinik. Die Beerdigung soll im engsten Familienkreis stattfinden.

Johannes Mario Simmel, geboren 1924 in Wien, trat 1947 mit der Novellensammlung “Begegnung im Nebel” zum ersten Mal als Schriftsteller in Erscheinung. Vor acht Jahren erschien sein letztes Buch “Die Bienen sind verrückt geworden”.

Mit diesem Schriftsteller hatte ich jahrelang regen Kontakt, er las alle meine Bücher und lobte sie. Zum ersten Kontakt kam es 1971. Damals besuchte ich das wirtschaftswissenschaftliche Gymnasium in Wilhelmshaven, wir hatten uns satt gelesen an Goethe, Schiller und Lessing, wollten uns endlich mit der Gegenwartsliteratur beschäftigen, mit Anna Seghers, Max Frisch, Franz Kafka - und ich mit Johannes Mario Simmel.

Vorurteils-Granit

“Der gehört nicht in den Deutschunterricht eines Gymnasiums”, biss ich bei meinem Lehrer erst einmal auf Vorurteils-Granit, doch steter Tropfen höhlte den Stein, bis mein Lehrer in eine Würdigung von Simmels “Alle Menschen werden Brüder” einwilligte.

Ich hätte es mir einfach machen können, doch ich wollte mehr wissen über diesen Schriftsteller. Allein, ich fand nur magere Angaben über seine Person. Deswegen schrieb ich an die Illustrierte “Quick”, für die Simmel ab 1950 in München gearbeitet hatte. Die Redaktion leitete mein Schreiben weiter, ich bekam einen DIN-A4-Umschlag vom Starnberger See, darin ein Lebenslauf, ein Artikel aus der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”, außerdem einen langen Brief, in dem Johannes Mario Simmel seine Freude darüber zum Ausdruck brachte, dass er an einem Gymnasium besprochen werden sollte. Bis dahin hatten deutsche Kritiker nur die Nase über seine Bücher gerümpft, sie machten sich mit Verrissen wie “Es stinkt zum Simmel” über ihn lustig oder hüllten sich in Schweigen, wenn sie Literaturpäpste waren. Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” jedoch hatte eine Ausnahme gemacht, immerhin bezeichnete sie den Bestsellerautor in dem beigefügten Artikel als “demokratischen Gebrauchsschriftsteller”.

Heiße politische Eisen

Ich hielt mein Referat, mein Deutschlehrer revidierte sein Urteil ein wenig und versprach: “Als Autor von Groschenromanen werde ich ihn nie mehr bezeichnen.” Und ich bewunderte weiter Simmels Fähigkeit, heiße politische Eisen so zu verpacken, dass sich sein Millionenpublikum daran nicht die Finger verbrannte.

1979 schlug ich die Laufbahn eines Redakteurs ein, machte ein Volontariat bei einem Verlag, zum dem auch eine Nachrichtenagentur gehörte und bekam diesen Auftrag vom Chefredakteur: “Interviewen Sie doch mal deutsche Schriftsteller.” Da fiel mir sofort wieder Johannes Mario Simmel ein, ich rief Droemer Knaur an und bekam einen Termin in München, Hotel Vier Jahreszeiten. Dort traf ich früher ein als die Pressesprecherin, Simmel holte mich vom Fahrstuhl ab, und wir waren bereits in ein Gespräch vertieft, das drei Stunden dauern sollte, bevor die Pressesprecherin das Hotelzimmer betrat.

Als wir das Hotel wieder verließen, konnte sie es nicht fassen: “Ich hatte befürchtet, dass ich Ihnen Ihre Fragen schriftlich beantworten muss. Herr Simmel ist sehr schüchtern.” Ich jedoch hatte den Bestsellerautor anders erlebt, eine Geschichte nach der anderen sprudelte aus ihm heraus, sogar an eine Ehe, die er bis dahin verdrängt hatte, erinnerte er sich wieder.

1992 veröffentlichte Johannes Mario Simmel seinen Umweltroman “Im Frühling singt zum letzten Mal die Lerche”, er machte sich in einem Gespräch mit mir weiter berechtigte Sorgen um die Welt, nach dem Umweltgipfel in Rio sprach er von “gemeiner Augenwischerei der Industrienationen”.

Gegen diese Augenwischerei schrieb der gelernte Chemieingenieur nimmermüde an, doch zu mehr als “Wir heißen Euch hoffen” reichte es bei ihm nur selten. Aber unterkriegen ließ er sich nicht, nicht von Neofaschisten, die ihm vor dem Hofbräuhaus in München auflauerten, nicht von Weiße-Kragen-Tätern, die ihm bei einer Party Alkoholisches unterjubeln wollten, um einen Rückfall in den überwundenen Alkoholismus zu provozieren. Als ich ihn zu seinem 60. Geburtstag fragte, was er dem 20-jähigen Simmel aus Sicht des Jahres 1984 sagen würde, antwortete er: “Ich glaube, ich würde ihm Hemingways berühmten Satz sagen: Das Leben kann dich töten, aber es kann dich nicht vernichten.”

23 Jahre später bekam ich von ihm das letzte Lebenszeichen - ein paar handschriftliche Zeilen im April 2007 aus Zug in der Schweiz: "Ich bin wirklich sehr krank."

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