Baumleben: Bäume haben viele Funktionen - eine Erläuterung

Bäume haben zahlreiche Funktionen. Auch uns Menschen „dienen“ sie in vielen Bereichen. In ihrer Jahrmillionen dauernden Entwicklung haben sie verschiedene Überlebensstrategien „erlernt“. Trotzdem können sie bereits durch wenige nicht fachgerechte Maßnahmen zerstört oder verstümmelt werden. Außer durch Kappungen werden Bäume auch häufig durch andere Dinge stark geschädigt: Beispielsweise durch die Entnahme zu starker Äste.
Definition „Starkastschnitt“
Alle Schnittmaßnahmen an Bäumen, bei denen Äste mit über 10 cm Durchmesser entfernt werden, können als Starkastschnitt bezeichnet werden.
Der Grund für Starkastschnitte
Unnötige Starkastschnitte werden häufig durchgeführt, weil die Ausführung der Schnittmaßnahmen fachfremden Personen überlassen wird. Oft sind diese von der Richtigkeit ihrer Arbeit überzeugt, da ihrer Auffassung nach „schließlich ein Lichtraumprofil herzustellen“ oder „ein Gebäude freizuschneiden“ ist.
In zahlreichen Fällen ist aber auch verpasst worden, den Baum frühzeitig an begrenzte Standorte wie beispielsweise Straßen anzupassen.
Starkastschnitt: Baumschädigung statt Baumpflege
Es verwundert, dass der Starkastschnitt, der lediglich eine Ausnahme sein sollte, in der Praxis trotzdem noch immer häufig vollzogen wird. Die Folgen scheinen den Ausführenden nicht bewusst zu sein: Die ZTV-Baumpflege, das Regelwerk für fachgerechte Baumpflegearbeiten, weist darauf hin, dass bei Kronenschnittmaßnahmen Starkäste nur in begründeten Einzelfällen vollständig entfernt werden dürfen.
Vor allem, wenn diese Schnitte direkt am Stamm durchgeführt werden, muss mit negativen Folgen gerechnet werden:
• Versorgungsschatten: In manchen Fällen kann der Bereich unterhalb der Verletzung nicht mehr versorgt werden, er stirbt ab.
• Schlechte Abschottung: Mit dem Starkastschnitt wird der Kern (also das Innere) des Stammes getroffen, ein Bereich, an dem der Baum die geringsten Abschottungsfähigkeiten hat, da dieser aus dem Versorgungssystem des Baumes ausgeschieden ist.
• Eindringen von Pilzen: Die schlechte Abschottung und die Größe der Verletzung begünstigen das Eindringen von holzzersetzenden Pilzen, die die Festigkeit des Holzes reduzieren.
• Zunehmende Bruchgefahr: Die Holzzersetzung tritt vor allem am Stamm auf, da hier die meisten Starkastschnitte durchgeführt werden. Der Stamm ist das wesentliche Tragegerüst des Baumes. Die Bruchgefahr nimmt zu.
• Fäule von mehreren Seiten: In manchen Fällen werden Starkastschnitte sogar auf verschiedenen Seiten des Stammes gleichzeitig gemacht. Dies hat zur Folge, dass die Fäule rundherum eindringen kann.
• Bruchgefahr am Kronenansatz: Ein Starkastschnitt direkt am Kronenansatz bzw. an der Vergabelung reduziert die Bruchfestigkeit der verbliebenen Äste.
• Vorzeitige Fällung: In der Folge muss der Baum häufig frühzeitig gefällt werden.
Starkastschnitte sind nicht generell unzulässig
Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass die Entfernung von Ästen über 10 cm Durchmesser generell nicht zulässig ist. Aus Gründen der Verkehrssicherheit müssen sie unter Umständen sogar entfernt werden, z.B. beim „Kronensicherungsschnitt“. Dies kann bei stark geschädigten Bäumen der Fall sein, bei denen beispielsweise Kronenteile oder die gesamte Krone im Grob- und Starkastbereich einzukürzen ist.
Möglichkeiten der Vermeidung und
Alternativen
Beobachtet man die Praxis wird schnell klar, dass ein Großteil der Starkastschnitte nicht notwendig war.
Die ZTV-Baumpflege gibt vor allem beim Lichtraumprofilschnitt eine klare Regelung vor: Starkäste sollen nur im notwendigen Maße eingekürzt werden.
Das heißt vor allem, dass alle Starkastschnitte direkt am Stamm oder an sonstigen tragenden Baumteilen (z.B. starken Seitenästen oder auf der Zugseite/Oberseite von Laubbäumen) unbedingt zu vermeiden sind.
In diesen Fällen können die Äste reduziert werden. Es ist ein fachgerechter Schnitt auf Zugast bzw. Versorgungsast durchzuführen.
Dass Starkäste im Lichtraum überhaupt geschnitten werden müssen, ist ein Zeichen dafür, dass zu spät mit dem Lichtraumprofilschnitt begonnen wurde.
Die Konsequenz: Frühzeitiger Erziehungsschnitt und Lichtraumprofilschnitt!
Erhalten Sie Ihre Bäume!
Bäume sind sehr weit entwickelte Pflanzen und gehören zu den größten Organismen. Bäume sind Lebewesen und ein wichtiger Teil unseres Lebensumfeldes. Sie erfüllen viele Funktionen.
Lassen Sie es nicht zu, dass Ihre Bäume
• verstümmelt
• nicht fachgerecht geschnitten
• oder durch sonstige Tätigkeiten
(z.B. Baumaßnahmen) zerstört werden!
Schützen und erhalten Sie Ihre Bäume. Wenden Sie sich an Fachleute!
Weitere Informationen finden Sie in dem Buch “Praxis Baumpflege – Kronenschnitt an Bäumen”

Empfehlung für die Praxis
Starkastschnitte haben für den Baum überwiegend negative Folgen, vor allem, wenn sie am Stamm oder an für die Statik wesentlichen Kronenteilen durchgeführt werden. Daher sollten sie auf alle Fälle vermieden werden. Dies kann durch einen frühzeitigen Lichtraumprofilschnitt oder durch eine Einkürzung des Astes auf Zugast/ Versorgungsast geschehen.
Fast alle Verletzungen von mehr als 10 cm Durchmesser bergen das Risiko, dass holzzersetzende Pilze eindringen und das Holz zerstören. Dies geschieht oftmals erst nach 10–20 Jahren. Das Risiko von Fäulebildung ist geringer, wenn lediglich Splintholz verletzt wird und größer, wenn – wie bei einem Starkastschnitt – Kernholz geschädigt wird.

Impressum Arbus Medien
Peter Klug, Diplom-Forstwirt v. Sachverständiger für Baumpflege, Standsicherheit von Bäumen Friedrichstr. 56
D-79585 Steinen
Tel.: 07627/971989E-Mail: info@arbus.de
www.baumpflege-lexikon.dewww.arbus.de
© P. Klug, Steinen, 2008
Literatur
FLL: ZTV - Baumpflege: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Baumpflege (2006)
Klug, P. (Hrsg.): Arbolex – Das digitale Fachwörterbuch der Baumpflege. Arbus Verlag (2004)
Klug, P.: Praxis Baumpflege – Kronenschnitt an Bäumen. Arbus Verlag, 191 S. (2006)
www.baumpflege-lexikon.de