Die Idee vom eigenen Geschäft – ein Roman von Sebastian Reuters

Reuters Held versucht die Flucht nach vorne. Das Arbeitsamt im Nacken begibt er sich auf den freien Markt, um diesen mit einem schmierigen Kontaktanzeigenmagazin zu erobern. Die Lächerlichkeit des Unterfangens, sowie die sich immer wieder bahnbrechende Verzweiflung geben dem Buch Spannung und Witz. Ein Buch nah an der grotesken Realität.

Die Idee vom eigenen Geschäft von Sebastian Reuters im Online Verlag new-ebooks

Kapitzki dachte auch an Handgranaten. Es könne doch nicht so ein großes Problem darstellen, sich eine Handgranate zu besorgen, war er sich sicher. Und dann ging er doch noch in die Kneipe.
"Auf jedem tschechischen Vietnamesenmarkt wird es doch Handgranaten geben", sagte Kapitzki zu Georg, "am besten nehmen wir gleich mehrere, um vorher mal zu üben. Dann fahren wir nach Fürth, und die liebe Seele hat ihr Ruh ..."
"Vielleicht nimmst du eine deiner dummen Handgranaten, und sprengst das Auto von deinem Helmann auf, um dann in aller Ruhe deine Klaviersaitenbespannung vornehmen zu können. Die ganze Scheiße bekommt dir nicht - du brauchst Abstand."
Georg ließ sich zuerst auf nichts ein, später, nach einigen weiteren Bieren, malte er sogar Bombenkonstruktionen auf herumliegende Bierdeckel.
"Schwarzpulver ist ja kein Problem, der neuralgische Punkt einer Bombe ist ihr Zünder. Der Zünder muss gut durchdacht sein. Mechanischer Zünder, elektronischer Zünder, Zeit- oder Druckzünder, das sind hier die Fragen. Das einfachste ist oft das beste, wenn du mich fragst: ein mechanischer Zünder, der auf Druck reagiert, ist hier das Mittel der Wahl."
So liebte Kapitzki seinen alten Kumpel Georg. Und die Sache nahm Gestalt an.
"Wer keine Handgranaten hat, der nimmt Mollis. Was meinst du, wie der Scheiße guckt, wenn ein Molli durch die Windschutzscheibe jagt. Aber da wird ´ne einfache Flasche nicht reichen, die Scheibe soll ja durchschlagen werden. Auch wenn, vielleicht reicht es sogar, wenn die Karre von außen ein wenig zündelt."
Georg blühte auf.
Der nächste Morgen hatte sowohl für Kapitzki als auch für Georg etwas Gespenstisches; waren sich beide doch nicht ganz sicher, was gestern nacht verabredet worden war. Kapitzki schickte eine SMS: "Lass uns zusammen frühstücken gehen und danach Bomben bauen." Georg antwortete: "Mach Frühstück, und dann geht’s los." Kapitzki wollte lieber frühstücken gehen, aber so war es auch in Ordnung. Kapitzki machte ein Riesenomelette, räumte Zeitungen und die Post der letzten Wochen vom Küchentisch und deckte ihn ein: Tassen für den Kaffee, Gläser für den Orangensaft, und was sonst noch auf einen Frühstückstisch gehört.
Georg wollte von Kaffee nichts wissen, um so mehr von Orangensaft und Wasser.
"Wann haben wir Schluss gemacht, gegen drei - oder?"
Kapitzki wusste es auch nicht, dafür hatte Kapitzki Georgs Bombenzeichnungen gerettet, die dieser nun nicht mehr richtig verstehen konnte.
"War ich so genial gestern, dass ich Zeug gemalt habe, dass mir heute fremd ist? Wir sollten so ein Ding wirklich bauen - aber wie, wenn ich die ganzen Abkürzungen nicht mehr kenne. Oder weißt du, was eine Schöff ist?"
"Eine Schuböffnung", antwortete Kapitzki stolz.
"Und was bitte schön ist eine Schuböffnung?"
"Georg, das wolltest du mir heute erklären, gestern meintest du, dass ich zu besoffen sei, und das demzufolge nicht verstehen könnte."
Die Laune beider war gut, und es wurde einhellig beschlossen, nur Bomben ohne Schuböffnungen zu bauen. So gesehen mussten alle Bombenzeichnungen von Georg aus dem Konzept gestrichen werden, da entweder niemand mehr wusste, was welche Abkürzungen zu bedeuten hatten, oder aber, war die Abkürzung entschlüsselt, wusste man nichts mit dem entschlüsselten Begriff anzufangen.
Das Omelette war gut, und Kapitzki und Georg dachten ernsthaft darüber nach, wie Helmann um die Ecke zu bringen sei, wobei beide weniger wie erwachsene Männer wirkten, als vielmehr wie achtjährige Jungs, die sich in den Kopf gesetzt haben, eine Mondexpedition zu unternehmen.
"Wir müssen Mollis entwickeln, die eine Windschutzscheibe durchschlagen können", war somit die einzige verbliebene Erkenntnis des letzten Abends, die Georg, in der Küche auf und abgehend, mehrmals wiederholte.
"Dein Hin und Her macht mich ganz nervös. Angenommen, wir haben einen solchen Molli, fahren wir dann vor Helmann her, zünden das Ding im Auto an und schmeißen es auf Gutglück zum Fenster raus?“
So aber konnte Georg nicht arbeiten.
"Hör auf, die Probleme werden gelöst wenn sie sich stellen. Also, dann, wenn wir das Problem des Mollis geklärt haben, stehen die nächsten Punkte zur Diskussion."
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