Bundesgerichtshof beendet virtuelle Kleinstaaterei

Bekommt der Glücksspielstaatsvertrag eine Öffnungsklausel für private Sportwettenanbieter?

Karlsruhe/Düsseldorf - In einem Eilverfahren hat der Bundesgerichtshof http://www.bundesgerichtshof.de den staatlichen Lottogesellschaften mehr Wettbewerb auferlegt. Laut Beschluss des Kartellsenates ist die Aufteilung des Marktes unter den Lottogesellschaften der Bundesländer wettbewerbswidrig. „Danach ist eine seit Jahrzehnten geltende Regelung, wonach die Lottogesellschaften ihr Angebot nur innerhalb der eigenen Landesgrenzen vertreiben dürfen, mit deutschem und europäischem Kartellrecht nicht vereinbar“, berichtet das Handelsblatt http://www.handelsblatt.de. „Nach den Worten des Karlsruher Gerichts handelt es sich bei den Lottogesellschaften um ‚Unternehmen’, die dem Kartellrecht unterliegen.“ Durch den bestehenden so genannten Blockvertrag würden die Lotteriegesellschaften in ihrer Tätigkeit auf die Grenzen der jeweiligen Bundesländer beschränkt. „Eine Lockerung dieser Gebietsbeschränkung gefährde nicht die Aufgabe der staatlich kontrollierten Lottogesellschaften, das Glücksspiel in geordnete Bahnen zu lenken. Denn auch bei Angeboten in anderen Ländern gelten laut BGH für die staatlichen Lottoanbieter die Werbebeschränkungen, die das Bundesverfassungsgericht vergangenes Jahr in seinem Urteil zum staatlichen Monopol auf Oddset-Sportwetten formuliert hatte“, so die Zeitung. Lottogesellschaft haben demnach grundsätzlich die Möglichkeit, ihre Spiele online auch in anderen Bundesländern anzubieten.

Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung http://www.faz.net bewerten sowohl die staatlichen Anbieter wie die privaten Lottovermittler die Entscheidung des Kartellsenates als Bestätigung der eigenen Position. Rainer Jacken, Vorstandssprecher von Fluxx http://www.fluxx.de, sieht demnach der „Willkür der Ordnungsbehörden bei der Versagung von Erlaubnissen“ Einhalt geboten: „Setzen die Lottogesellschaften ihre bisherige Praxis fort, drohen ihnen Bußgelder von bis zu 1 Million Euro“, heißt es in der Pressemitteilung des Deutschen Lottoverbandes http://www.deutscherlottoverband.de. Die bisherigen Gebietskartelle verstoßen nach dessen Auffassung gegen deutsches und europäisches Kartellrecht, auch wenn der Lotto- und Toto-Block das Gegenteil behaupte. „Die je nach Interessenlage unterschiedlichen Interpretationen der Entscheidung ist ein weiterer Beleg für das undurchschaubare Dickicht der Lotterie- und Glücksspielgesetzgebung in Deutschland. Dabei schlüpfen die Bundesländer in eine unrühmliche Rolle, weil sie um die Einnahmen für die Landeskassen bangen“, kritisiert Helmut Sürtenich, Vorstand des Düsseldorfer Sportwettenanbieters Stratega-Ost http://www.stratega-ost.de gegenüber dem Online-Magazin NeueNachricht http://www.ne-na.de. Er begrüßt das Ende der virtuellen Kleinstaaterei: „Wenn ich als Mainzer bei Hessen-Lotto online spielen will, werde ich aufgrund meines Wohnsitzes in Rheinland-Pfalz abgewiesen. Und dann spaziere ich über den Rhein und mache meine Kreuzchen in der Annahmestelle in Wiesbaden. Da fragt keiner nach meinem Wohnsitz. Das war doch absurd“, so Sürtenich, dessen Unternehmen auch aufgrund der unkalkulierbaren deutschen Rechtslage verstärkt auf die Märkte in Osteuropa und Russland setzt. Allerdings scheint auch für den deutschen Markt ein Kompromiss in Sicht: Der Spiegel http://www.spiegel.de berichtet, dass die EU-Kommission das deutsche Glücksspielmonopol teilweise auch weiterhin akzeptieren würde, wenn „die Länder den Bereich der Sportwetten für private Anbieter aus der EU öffnen“. Dann werde Brüssel „in keiner Weise die Existenz und Fortsetzung der Länder-Monopole für Lotto/Toto oder andere Glücksspiele anfechten".

26.06.2007: | |