Versuch den Kommunen europaweite Ausschreibungen aufzuzwingen

Hildegard Pfaff (SPD): Verkehrspolitik der hessischen Landesregierung mit irreparablen Folgen

EUROPATICKER Unterwegs: Ein wesentlicher Standortfaktor für unseren Wirtschafts- und Lebensraum Hessen ist ein leistungsfähiges Gesamtverkehrssystem, um Mobilität von Menschen und Gütern zu sichern. Dem öffentlichen Personenverkehr kommt dabei zunehmend eine höhere Bedeutung zu, weil wir die Straßeninfrastruktur aus ökologischen Gründen nicht unendlich ausweiten und alle Flächen zubetonieren können, sagte die verkehrspolitischen Sprecherin Hildegard Pfaff der SPD-Landtagsfraktion zum Antrag ÖPNV-Angebot und kommunale Selbstverwaltung stärken.
Aufgabe der Landesregierung sei es deshalb, die Rahmenbedingungen für den ÖPNV in Hessen so zu gestalten, dass das Angebot insbesondere im Interesse der Fahrgäste aber auch der mittelständischen und kommunalen Verkehrsunternehmen und nicht zuletzt der Beschäftigung kontinuierlich ausgebaut werden kann. Die Verkehrspolitik der Regierung Koch zeichnet sich jedoch durch marktradikale, mittelstands- und kommunalfeindliche Strategien aus, die insbesondere mittelständische und öffentliche Verkehrsbetriebe gefährdet und für den Fahrgast nur unzureichende Fortschritte bringt.

Die Landesregierung hat mit Erlass vom März 2004 in einem bundesweiten Alleingang fast ohne Übergang eine europaweite Ausschreibungspflicht für alle Bus- und Bahnverkehre in Hessen angeordnet, mit oftmals irreparablen Folgen für die Existenz zahlreicher mittelständischer Busunternehmen und deren Mitarbeiter. Im Zusammenhang mit nicht transparenten Kalkulationsgrundlagen, mittelstandsfeindlichen Linienpaketen und regional stark konzentrierten Ausschreibungen führt die hessische Vergabepraxis zu einem Verdrängungswettbewerb mit Niedrigstangeboten und Dumpinglöhnen. Auf Druck der hessischen Verkehrswirtschaft gemeinsam mit der SPD-Fraktion haben Sie bei diesen Fragen eine geringfügige Veränderung Ihrer Vorgaben vorgenommen, die allerdings die negativen Verwerfungen nicht beheben kann. Den Städten und Landkreisen drohen bei Verlust der Ausschreibung im eigenen Verkehrsgebiet nach wie vor unkalkulierbare ökonomische und arbeitsmarktrelevante Risiken. Die kleinen Mittelständler und die kommunalen Betriebe sehen sich zunehmend der Konkurrenz von Global Playern aus anderen europäischen Ländern ausgesetzt, mit denen sie in keiner Weise konkurrieren können. Der so genannte „hessische Weg“ zwingt alle privaten und öffentlichen hessischen Verkehrsunternehmen in den europäischen Wettbewerb, obwohl EU- und Bundesrecht die Vergabe von Verkehrsleistungen nach dem Personenbeförderungsgesetz des Bundes auch ohne Ausschreibung ermöglichen.

Hessen aber zweifelt als einziges Bundesland die Rechtssicherheit dieser nationalen Regelung an und fürchtet zudem Probleme im Hinblick auf das europäische Beihilferecht bei der Finanzierung der ÖPNV-Leistungen. Die Konsequenz daraus ist, Hessen unterscheidet nicht mehr zwischen eigenwirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Verkehren und ordnet daher generell den europaweiten Ausschreibungswettbewerb an. Diese Praxis gibt es in keinem einzigen anderen Bundesland. Sie widerspricht auch dem Diskussionsstand der EU im Rahmen der Novellierung der EU Verordnung 1191, die noch in diesem Halbjahr unter deutscher Ratspräsidentschaft im EU-Parlament verabschiedet werden soll. Das EU-Parlament hat verpflichtende Ausschreibungen bei der Vergabe von Verkehrsleistungen mit großer Mehrheit abgelehnt, zudem wurde im Europarecht die Möglichkeit von Tariftreueverpflichtungen geschaffen. Es konnten weitere wichtige deutsche Interessen durchgesetzt werden, wie z.B.: Klauseln zum Schutz des Mittelstandes, Optionen zur Direktvergabe, Möglichkeiten zum Schutz der Beschäftigten das Wahlrecht der Kommunen im Hinblick auf die Vergabe. Alle diese Regelungen spielen bei der Hessischen Landesregierung so gut wie keine Rolle. Damit wird deutlich, dass die Regierung Koch zwar die Stärkung des Mittelstandes im Munde führt, in der Praxis jedoch das Gegenteil verfolgt.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit seinem Urteil vom 19. Oktober 2006 in letzter Instanz erneut klargestellt, dass eigenwirtschaftliche Busverkehrsleistungen im Sinne des § 13 Personenbeförderungsgesetz wirksam vom Anwendungsbereich der EU VO 1191 ausgenommen werden dürfen und demzufolge für Verkehrsleistungen keine Ausschreibungspflicht besteht.


Den ausführlichen Bericht finden Sie im Magazin Umweltruf

28.03.2007:

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