Vor 30 Jahren: Unfall mit Totalschaden am AKW Gundremmingen Block A
Pressetext verfasst von EUROPATICKER am So, 2007-01-14 19:20.Manipulative PR-Arbeit der RWE AG (Essen), nennt es Raimund Kamm, der Vorsitzende des "FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V." und meint den schwere Unfall, der vor 30 Jahren den Betrieb von Deutschlands erstem Großkernkraftwerk beendet hat. Dieses dramatische Ereignis sei nicht im öffentlichen Bewußtsein unseres Landes verankert, meldet das Magazin EUROPATICKER Umweltruf.
Am 13. Januar 1977 kam es um 18:44 in der nach Meitingen führenden 220-Kilovolt-Leitung durch Raureifbildung und kältebedingten Isolatorenbruch zum Kurzschluss. Damit stand nur noch eine 220-kV-Leitung, die nach Vöhringen führt, zum Abtransport des mit 237 Megawatt elektrischer Nettoleistung im Gundremminger Block A erzeugten Stroms zur Verfügung. Um 21.17 hatte aus gleichen Gründen auch diese Hochspannungsleitung Kurzschluss.
Die Turbinen des AKWs und die Dampferzeugung im Reaktor hätten jetzt soweit automatisch gedrosselt werden müssen, daß nur noch elektrischer Strom für den Eigenverbrauch – etwa 15 Megawatt – produziert worden wären. Aber die Regelung funktionierte fehlerhaft. Ein Relais hing, so daß ein Absperrschieber vor der Turbine erst nicht öffnete. Der Reaktor mußte schnell abgeschaltet werden, was – Gott sei Dank ! – auch in Sekunden gelang.
Nachdem ein zweiter, redundanter Schieber aufging, öffnete doch noch der erste Schieber. Dadurch fiel ungeplant und schnell der Druck im Hauptkreislauf. Die Automatik interpretierte dies als höchst gefährlichen Aufriss der Hauptleitung und setzte die Noteinspeisung in Gang. Vorgewärmtes Notkühlwasser wurde eingepresst. Das war zu viel, der Druck stieg zu stark und Überdruckklappen bzw. Berstscheiben entlasteten den Reaktor. Rund 400 Kubikmeter 280 oC heißes radioaktives Wasser ergossen sich in das Reaktorgebäude. Zusätzlich begann die Reaktorsprühanlage, wie bei solcher Hitze vorgesehen, zu arbeiten. Im Reaktor stieg das heiße radioaktive Wasser auf drei bis vier Meter an.
Die Kraftwerksleitung ließ verlautbaren: Die technischen Prozeduren hätten „einwandfrei funktioniert“. Der Leiter des AKWs Reinhard Ettemeyer äußerte, „die notwendige, doch unproblematische Wäsche“ würde einige Wochen dauern. Das Bayerische Umweltministerium schrieb, was sie in solchen Fällen immer schreiben, eine Gefährdung der Bevölkerung habe zu keiner Zeit bestanden. Wenige Wochen später verkündete dann der Haupteigentümer RWE, das Kernkraftwerk sei entseucht und solche Pannen würden zukünftig ausgeschlossen. Bald könne das Kraftwerk wieder ans Netz gehen. Die Bundesregierung bezahlte sogar außerplanmäßig 40,7 Millionen Mark zur Abdeckung des unerwarteten Gundremminger Betriebsverlustes.
Das radioaktive Wasser wurde später ebenso wie radioaktive Gase unter behördlicher Kontrolle nach außen geleitet. Es sollen eigene Grenzwerte hierfür fest gelegt worden sein. Faktenberichte über die frei gesetzte Radioaktivität sind uns nicht überliefert. Allerdings wies im Mai und im September 1985 der Astrophysiker Peter Kafka vom Max-Planck-Institut in Garching darauf hin, daß in einem Gebiet östlich des Kernkraftwerks Gundremmingen in der Zeit von 1968 bis 1978 die Missbildungen bei Kindern nahezu doppelt so hoch gewesen seien wie im Landesdurchschnitt.
Im Jahr 1977 entdeckte man bei näherer Untersuchung des still liegenden Atomreaktors viele Rohranrisse. Das bayerische Umweltministerium verlangte Nachrüstungen um ähnliche Unfälle zukünftig auszuschließen und den Austausch der entdeckten schadhaften Rohre. Ganz beiläufig teilte dann Jahre später die RWE mit, daß die Reparatur nicht mehr lohne. Das hierfür übliche Wort Totalschaden vermied man.
Insgesamt hatte Deutschlands erstes Großkernkraftwerk, das am 1. Dezember 1966 ans Netz gegangen war, rund 15 Milliarden Kilowattstunden Strom produziert. Vom im AKW erzeugten hochradioaktiven Brennelementmüll ist noch kein Kilogramm entsorgt. Das AKW sagt nichts über seinen derzeitigen Verbleib. Seit Anfang der 1980er Jahre wird am Abbruch des Block A gebaut. Dafür werden sogar EU-Gelder gezahlt, bemängelt Raimund Kamm.
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